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Öffentliche Erklärung von der Ökumenischen und internationalen Syrien-Konsultation des Ökumenischen Rates der Kirchen, im Ökumenischen Zentrum, Genf, 15.- 17. Januar 2014

Kirchenführer und Repräsentanten aus Syrien, dem Kirchenrat des Mittleren Ostens, dem Ökumenischen Rat der Kirchen und vom Heiligen Stuhl,[1] haben sich vom 15. bis 17. Januar 2014 zu einer Konsultation in Genf getroffen, um folgenden Appell an die bevorstehende Genf-II-Friedenskonferenz zu richten:

Seit den Ursprüngen des Christentums haben Christen ununterbrochen im Land Syrien gelebt. Heute fühlen wir uns als Kirchen und kirchennahe humanitäre Organisationen tagtäglich mit dem syrischen Volk verbunden, sowohl mit denen, die im Land Syrien leben, als auch mit den Flüchtlingen, die ihre Heimat verlassen mussten. Deshalb erheben wir für sie unsere Stimme.

Unsere Sorge gilt allen, die von der Gewalt und der humanitären Katastrophe in Syrien betroffen sind. Unschuldige Kinder, Frauen und Männer werden getötet, verwundet, traumatisiert, und unzählige Menschen aus ihren Häusern vertrieben. Wir hören ihre Schreie, wissend, dass „Wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit“ (1. Korinther 12).

Es gibt keine militärische Lösung für die Krise in diesem Land. Im Vertrauen auf die Liebe Gottes, die allen Menschen gilt, formulieren wir deshalb im Rahmen des humanitären Völkerrechts diesen Appell zum Handeln und diese Leitlinien für einen Friedensprozess:

Wir fordern die Teilnehmer der Genf-II Konferenz auf,

1. ein sofortiges Ende aller bewaffneter Konflikte und Kampfhandlungen in Syrien zu erwirken. Wir rufen alle Konfliktparteien auf, inhaftierte und entführte Personen freizulassen. Der UN-Sicherheitsrat soll Maßnahmen ergreifen, um Waffenlieferungen und das Eindringen fremder Kämpfer nach Syrien zu beenden.

2. sicherzustellen, dass alle gefährdeten Gruppen in Syrien und die Flüchtlinge in den Nachbar­staaten angemessene humanitäre Unterstützung erhalten. Wo solch große Bevölkerungs­gruppen ernsthaft gefährdet sind, sind umfassende Zugangsmöglichkeiten für humanitäre Hilfe unabdingbar notwendig gemäß internationalem Recht und der Regel der Schutzverant­wortung.

3. einen umfassenden und inklusiven Prozess einzuleiten, um einen gerechten Frieden in Syrien zu schaffen und die syrische Gesellschaft wieder aufzubauen. Alle Mitglieder der syrischen Gesellschaft (einschließlich der Regierung, der Opposition und der Zivilgesellschaft) müssen in die Suche nach einer syrischen Lösung für das syrische Volk einbezogen werden. Wir erkennen die dringende Notwendigkeit an, Frauen und junge Menschen in diesen Prozess zu integrieren.

Die Beschlüsse der Genf-II-Konferenz müssen in einen Friedensprozess transformiert werden, um auf die legitime Erwartung des gesamten syrischen Volkes eine Antwort zu geben. Dazu schlagen wir folgende Leitlinien vor:

- Jeder Friedensprozess muss von dem syrischen Volk selbst geleitet werden. Er muss transparent und glaubwürdig sein, so dass die Syrer die Zukunft ihres Landes selbst bestimmen können. Ein solcher Prozess braucht die volle Unterstützung der Arabischen Liga, der UN und das konstruktive Engagement aller, die in die aktuelle Krise einbezogen sind.

- Es müssen alle Anstrengungen unternommen werden, um den Frieden, die territoriale Unversehrtheit und die Unabhängigkeit Syriens zu sichern.

- Die multi-ethnische, multi-religiöse und multi-konfessionelle Prägung und Tradition der syrischen Gesellschaft müssen bewahrt werden. Die lebendige Vielfalt der syrischen Gesellschaft ermöglicht die Gleichheit aller ihrer Bürgerinnen und Bürger. Die Menschenrechte, die Menschenwürde und die Religionsfreiheit für alle müssen im Einklang mit internationalen Regeln gefördert und geschützt werden.

Als Christen sprechen wir mit einer Stimme, wenn wir zu einem gerechten Frieden in Syrien aufrufen. Um diesen Frieden zu erreichen, verpflichten wir uns, mit unseren muslimischen Schwestern und Brü­dern, mit denen wir eine lange Geschichte mit gemeinsamen spirituellen und sozialen Werten teilen, Hand in Hand zu arbeiten. Wir streben danach, durch Vertrauensbildung für die nationale Versöhnung zu arbeiten: „Selig sind die Friedensstifter“ (Matthäus 5).

(Übersetzung M. Dröge)



[1] Folgende Länder waren vertreten: Deutschland, Frankreich, Iran, Italien, Libanon, Niederlande, Norwegen, Russland, Schweden, Schweiz, USA, Vereinigtes Königreich; dazu folgende ökumenische Partner: Pax Christi International, Lutherischer Weltbund, Gemeinschaft Sant´ Egidio, Religions for Peace, ACT Alliance und World Student Christian Federation.