Pastor Dr. Olav Fykse Tveit, ÖRK-Generalsekretär

Liebe Kollegen, Freunde, Schwestern und Brüder in Christus!

1. Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch

Wir leben in einer äußerst gefährlichen Phase der Menschheitsgeschichte, aber gleichzeitig erleben wir auch eine Zeit neuer Hoffnung auf Leben. Seit diesem Januar sehen Kernforscher die Uhr auf zweieinhalb Minuten vor zwölf - die Weltlage im Januar 2017 war fast so kurz vor einem Atomkrieg wie 1953, als sowohl die Sowjetunion als auch die Vereinigten Staaten von Amerika Wasserstoffbomben in der Erdatmosphäre testeten. In den vergangenen Wochen haben uns die Spannungen um die koreanische Halbinsel noch näher an eine atomare Pattsituation gebracht. Darüber hinaus sind die Leugnung der Erderwärmung und ihrer Konsequenzen sowie die Gewalt und der Krieg im Nahen Osten und anderen Regionen weitere Faktoren, die unseren zukünftigen Horizont verdunkeln.

Als Reaktion auf diese düstere Lage wachen allerdings mehr und mehr Menschen auf; sie verstehen, dass diese Situation von ihnen verlangt, nicht länger still zuzusehen, sondern ihre Hoffnung für das Leben von Gottes Schöpfung durch konkrete Schritte und Maßnahmen auszudrücken und damit die Dinge zu verändern. „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch“ - in schwierigen Zeiten wie unseren ist dieser Vers aus Friedrich Hölderlins Gedicht „Patmos“ nicht so einfach ersichtlich. Aber er gilt für alle, die trotz der sie umgebenden Gewalt und Verzweiflung an den Gott des Lebens glauben und Gottes Ruf und Auftrag für sie vernehmen. Wo und wann auch immer wir sie treffen und uns von ihnen motivieren lassen, werden wir das Licht der Hoffnung erkennen, das uns den Weg zu Leben, Gerechtigkeit und Frieden trotz aller Hindernisse zeigt.

Galt das nicht auch für die vielen Menschen, die sich zur Zeit der Reformation von Martin Luther, Ulrich Zwingli oder Johannes Calvin motivieren ließen? „Post tenebras lux“ (Licht nach dem Dunkel) steht zusammen mit dem Christogramm (IHS) auf der Mauer der Reformatoren in Genf. Die befreiende Botschaft des Evangeliums Christi und der Gnade Gottes inspirierte und trieb diese Bewegung an, die Welt zu verändern.

Natürlich haben wir gelernt, dass dieser Antrieb verloren gehen oder sogar in sein Gegenteil verkehrt werden kann, um menschliche Macht zu legitimieren und Gewalt und Krieg zu rechtfertigen. „Ecclesia semper reformanda“ - die Notwendigkeit von Reformation und metanoia hört niemals auf, und ganz bestimmt nicht heute.

Ja, auf meinen Reisen durch die Welt sehe ich tatsächlich Anzeichen von Hoffnung. Gerade habe ich Menschen und Kirchen im Pazifik besucht, die noch immer unter den Auswirkungen der Atomtests in ihrer Region leiden und deren Inseln von den Folgen des Klimawandels bedroht sind. Aber trotzdem feiern sie das Leben und wünschen sich die Solidarität ihrer Schwestern und Brüder in der Welt, die ihnen so wichtig ist.

Ja, ich sehe Anzeichen von Hoffnung, nicht zuletzt nach meinem Besuch in Rom, wo Dr. Agnes Abuom, die Vorsitzende des ÖRK-Zentralausschusses, und ich eine Privataudienz mit Papst Franziskus erhielten.

Viele, die auf eine klare prophetische Stimme der Kirche warteten, begrüßen sein Apostolisches Schreiben „Evangelii Gaudium“ und seine Enzyklika „Laudato Si“. Und wir erinnern uns alle mit Freude an das gemeinsame Gebet am Reformationstag letztes Jahr mit Papst Franziskus und der Leitung des Lutherischen Weltbundes in Lund. Wenn es eine ökumenische Chance auf ermutigende Schritte auf unserem Weg zur Einheit in diesem 500. Jubiläumsjahr der Reformation gibt, fällt mir als erstes Lund ein, aber auch der gemeinsame Gottesdienst der EKD und der katholischen Deutschen Bischofskonferenz in Hildesheim und ähnliche Veranstaltungen in verschiedenen Ländern mit dem gemeinsamen Schuldbekenntnis als wichtigem Schritt in Richtung Heilung. Das Heilen von Erinnerungen ist eine notwendige Vorbedingung für die sichtbare Einheit der Kirche, die den bilateralen theologischen Dialog und die aktive Zusammenarbeit bei drängenden aktuellen Fragen ergänzen muss.

2. Gnade, Buße und Einheit

Wenn wir uns die Geschichte der Reformation ansehen, wird klar, dass die Dynamik des Wandels, die sie antrieb, eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der modernen Welt spielte, in der die Christenheit zwar weltweit vertreten, aber auch gespalten ist, und in der ein globaler Wettbewerb um wirtschaftliche und politische Macht stattfindet. Kolonialismus, Neokolonialismus und heutzutage die wirtschaftliche Globalisierung führten bzw. führen zu wachsender Ungleichheit, wirtschaftlicher Ungerechtigkeit und politischer und militärischer Hegemonie. Heute finden wir uns in einer Situation wieder, in der neue Formen des Teilens, der Zusammenarbeit und eines umweltfreundlichen Lebensstils gefragt sind - allerdings werden die Fähigkeit und die Bereitschaft dazu von Reaktionen geschwächt, die sich gegen den globalen Trend stellen, und von Mächten, die sich häufig kulturelle und religiöse Besonderheiten auf die Fahnen schreiben. Diese Eigenschaft ist typisch für populistische politische Bewegungen, religiösen Fundamentalismus und andere Rechtfertigungen für Gewalt, die sich auch auf Gruppen in den Kirchen auswirkt. Sie alle weigern sich, anderen gegenüber, die nicht ihrer jeweiligen Gruppe angehören, Rechenschaft abzulegen.

Vor diesem Hintergrund betont die ökumenische Bewegung, dass Frieden und Gerechtigkeit für alle Menschen und für die Erde für das Überleben der Menschheit unabdingbar sind. Es gibt nur eine gemeinsame Zukunft und Hoffnung für alle - oder gar keine Hoffnung auf Zukunft. Wir konnten in der Ökumene sehen, wie Buße und gegenseitige Rechenschaftspflicht die Gemeinschaft vertieft und die Fähigkeit, spaltenden Kräften in der Welt entgegenzuwirken, verbessert haben.

„Gott vereint, der Feind spaltet.“ Das war der Titel einer der Reden (von Eivind Berggrav, Bischof von Oslo) auf der ersten ÖRK-Vollversammlung in Amsterdam im August 1948. In der Rede wird dargelegt, wie das Streben nach Einheit zu den Eigenschaften Gottes gehört. Die trennenden Mächte der zwei Weltkriege waren schon wieder in neuen Spaltungen und einem eisernen Vorhang sichtbar. Wir sollten uns meiner Ansicht nach nicht so sehr darauf konzentrieren, wer unsere Feinde sind, sondern eher auf die Kräfte, die Menschen zu Feinden machen. Wir müssen analysieren, wie die polarisierenden und spaltenden Kräfte, die zu Konflikten und Krieg führen, gegen den Willen Gottes in dieser Welt wirken.

In einer Studie der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung über die Einheit der Kirche und die Einheit der Menschheit (Faith and Order: „Unity of the Church - Unity of Mankind“ (1973), in: G. Gassmann (Hg.): Documentary History of Faith and Order 1963-1993. Genf, ÖRK, S. 137-143) war eine der eindeutigsten Schlussfolgerungen, dass die Einheit der Kirche ein Zeichen und ein Vorgeschmack auf die Einheit der Menschheit ist. Das ist keine leichte Aufgabe und auch kein bequemer Weg. Im Programm zur Bekämpfung von Rassismus mussten wir eine harte Lektion lernen. Der Kampf gegen Rassismus wurde auch zu einem Kampf innerhalb der Kirchen und der Kirchen untereinander. Rassentrennung von Menschen, die nach dem Bilde Gottes geschaffen wurden, selbst in der Kirche. Diese Trennungen und dieses Ausschließen von Menschen ist noch nicht vorbei. Wir müssen uns bewusst werden, auf welche Weise dies heute geschieht. Nicht nur in Bezug auf Hautfarben, sondern auch hinsichtlich des Geschlechts, der sexuellen Orientierung etc. müssen wir uns bewusst sein, dass es sich um potenziell schwierige Themen handelt. Als ÖRK haben wir uns auf unterschiedliche Art gegen Rassismus positioniert. Wir haben eine Referenzgruppe „Menschliche Sexualität“ ins Leben gerufen, in der die schwierige Diskussion geführt werden kann, wie sich Kirchen mit den zahlreichen Aspekten menschlicher Sexualität auseinandersetzen, und wie sich das auch auf das Streben nach Einheit auswirkt.

Nach dem bahnbrechenden Konsens-Dokument „Taufe, Eucharistie und Amt“ präsentierte die Kommission für Glauben und Kirchenverfassung kürzlich ihr zweites Konsens-Dokument zu den zugrundeliegenden ekklesiologischen Fragen: „Die Kirche – Auf dem Weg zu einer gemeinsamen Vision“ wurde den Mitgliedskirchen und den ökumenischen Partnerorganisationen zur Kenntnisnahme und Reflexion gesandt. Wir erhalten aktuell zahlreiche Reaktionen, die von der Kommission sorgfältig analysiert werden. Hierbei handelt es sich um ein umfangreiches Unternehmen, das zu einer gemeinsamen Grundlage für zukünftigen Dialog und weitere Diskussionen werden soll, ähnlich wie das bei „Taufe, Eucharistie und Amt“ der Fall war.

Die Kirchen sind auf vielerlei Art von den Spaltungen unserer Zeit beeinflusst. Theologisch ausgedrückt spiegelt die fehlende Fähigkeit, sich auf verantwortliche Weise auf den Anderen oder den Nächsten zu beziehen, die Gebrochenheit der Gemeinschaft mit dem Anderen und mit Gott wider. Solch eine Gebrochenheit der grundlegendsten menschlichen Beziehungen wird in der biblischen Tradition Sünde genannt. Die Sünde ist ein Zustand, der menschliche Beziehungen unterbricht und schwächt und das Leben, das uns als von Gott geschaffene menschliche Wesen gegeben wurde, zerstört. Es ist eine destruktive Kraft in unserem Leben. Um unser Leben und neue Beziehungen aufzubauen, ist eine Art Umkehr zum Anderen nötig - ein neues, inklusiveres Verständnis von Identität, das die materielle, moralische und spirituelle Dimension des Lebens umfasst.

In zahlreichen meiner Reden im Rahmen des Reformationsjubiläums habe ich diese zugrundeliegende Dimension heutiger Probleme in den Kategorien Sünde, Gnade und Buße gemäß dem reformatorischen Erbe verhandelt. Hinsichtlich der erforderlichen tiefen Umkehr beziehe ich mich auf die erste von Luthers 95 Thesen gegen den Ablasshandel:

„Da unser Herr und Meister Jesus Christus spricht ‚Tut Buße‘ usw., hat er gewollt, dass das ganze Leben der Gläubigen Buße sein soll“ (Mt 4,17).

Sünde ist real. Sie unterminiert das Leben von Einzelnen und von Gemeinschaften. Es gibt keine Möglichkeit, der Sünde zu entkommen: nicht durch Geld, Macht, Ignorieren, besondere Frömmigkeit, kirchliche Dogmen, Ämter oder auf sonstige Weise. Es geht kein Weg vorbei an der Notwendigkeit zu Buße, Umkehr und der Erneuerung des Lebens.

Buße ist der Weg, durch Gnade gerechtfertigt zu werden und von den Ketten der Sünde befreit zu werden. Sie ist die logische Folge der Rechtfertigung durch Gnade. Buße führt zu einer Umkehr, die alle Dimensionen unserer Identität einbezieht. Ihr Horizont ist die Erneuerung des Lebens im Tod und der Auferstehung Christi und durch die Gabe des Heiligen Geistes.

Luther argumentiert, dass es sich bei dieser Buße nicht um eine einmalige Handlung handelt. Sie ist eine Haltung - eine Art des Seins, die offen für eine kritische Stimme ist, die die Dimensionen der Tragödie versteht und bereit ist anzuerkennen, dass etwas falsch läuft. Es gehört auch zu dieser Haltung, genau die Stimme von Gottes totaler Vergebung zu vernehmen - nicht im Sinne einer geschäftlichen Vereinbarung, sondern als Offenheit, das Leben neu auszurichten, um sich auf die Bedürfnisse Anderer zu konzentrieren; insbesondere der Armen oder derer, denen es an Sicherheit und Gerechtigkeit mangelt oder deren Rechte und Würde anerkannt werden müssen. Der Weg zu Gerechtigkeit und Frieden ist ein Weg der Buße, Umkehr und Erneuerung. In Erwartung des Ziels, das unseren Weg bestimmt, wird unser Weg zu einem Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens, dem Schwerpunkt der Arbeit des ÖRK seit unserer 10. Vollversammlung 2013 in Busan.

Wahre Buße schafft eine Rechenschaftspflicht für unsere Vergangenheit, sowohl als Einzelne als auch als Gemeinschaft, als Kirchen und Völker (Beichte). Wahre Buße bedeutet eine wirkliche Bereitschaft, sich zu ändern, den Anderen zuzuhören, vor allem den weniger Privilegierten und den Opfern unserer vergangenen und gegenwärtigen Taten (contritio). Wahre Buße bedeutet wirklich transformatorisches Handeln und die anhaltende Bereitschaft, Teil eines Transformationsprozesses zu sein, der sich darauf konzentriert, wie der jeweils Andere - andere Menschen, andere Kirchen oder die restliche Schöpfung - von meiner und unserer Haltung und von meinen bzw. unseren Taten positiv oder negativ beeinflusst wird.

Transformation ist die Quintessenz unseres Pilgerwegs der Gerechtigkeit und des Friedens hin zur Einheit der Menschheit und der gesamten Schöpfung. Wir sind zu der Erkenntnis gekommen, dass die Einheit der Kirche und die Einheit der Menschheit miteinander verbunden sind. Die Einheit der Kirche nimmt die Einheit der gesamten Menschheit und aller Geschöpfe als weltweite Gemeinschaft in Vielfalt voraus (siehe „Gottes Gabe und Ruf zu Einheit – und unser Engagement“, Einheitserklärung der 10. ÖRK-Vollversammlung vom 8. November 2013). Aber trotzdem ist das meiste Handeln der Menschen von einem Denken bestimmt, das „uns“ „den anderen“ entgegensetzt - eine Opposition in den Konflikten unserer Zeit. Das Streben nach sichtbarer Einheit der Kirche schließt die Zusage ein, sich um die Bedürfnisse der Armen zu kümmern, und zwar im weitesten Sinne: einschließlich der weniger Privilegierten, der Opfer und der Unterdrückten, in gegenseitiger Rechenschaft.

3. In gegenseitiger Rechenschaft zusammen wachsen

Gegenseitige Rechenschaft bezieht sich hier auf eine Haltung und eine Form für unser gemeinsames Leben, die auf die Kraft des Evangeliums vertraut, unserem gemeinsamen Bedürfnis abzuhelfen: nämlich von der Macht der Sünde zu befreien und eine Transformation hin zu dem Leben und den Werten des Reiches Gottes zu bewirken.

Realistisch betrachtet müssen wir anerkennen, dass es niemals einen Zeitpunkt im Leben eines Menschen, eines Volkes oder einer Kultur gibt, zu dem keine Notwendigkeit besteht, Buße zu tun. Das anhaltende Bestehen von Unrecht, Rassismus, Krieg, Morden, Verfolgung und Verzweiflung, deretwegen Menschen ihre Heimat und ihre Familie verlassen, erinnert uns daran, dass dies nicht nur Probleme aus der Vergangenheit sind, sondern für Europa und die Welt heute weiterhin real sind.

Amerikaner sprechen momentan über Rassismus als die Erbsünde Amerikas. Sie befassen sich mit den Dimensionen und Ausprägungen von Rassismus, die ihre Gesellschaft durchdringen und die in den letzten Jahren gegenüber der ganzen Welt öffentlich geworden sind. Als Europäer sollten wir uns in diesem Spiegel betrachten: Was ist unsere Erbsünde? Wir müssen zugeben, dass das, was wir jetzt in den USA erleben, eine Folge europäischer Einwanderungspolitik ist, die auf eurozentristischen Vorstellungen weißer Überlegenheit und weißer Vorrechte beruhte. Wie können wir der scheinbar normalen Reaktion des Selbsterhalts und des Selbstschutzes entgegenwirken und widerstehen, wenn sie sich in Misstrauen gegenüber Fremden und Angehörigen anderer Religionen äußert? Wie erreichen wir einen Modus echter und konstruktiver Buße, die den Weg nach vorn in gegenseitige Rechenschaft öffnet?

Hierbei geht es darum, die besten Werte der Reformation heute Realität werden zu lassen. Wir schützen unsere Werte am besten, wenn wir sie als Ausgangspunkt und Quelle für den Dienst an anderen Menschen nutzen. Unsere aktuelle Realität muss in der Vision wurzeln, wie wir morgen als eine Menschheit leben wollen, und ausgehend von dieser Vision gestaltet werden. Werte sind nichts wert, wenn sie sich alleine auf die Vergangenheit beziehen. Das gilt auch für unser Verständnis von Sünde und Buße. Der Aufruf der Reformation zu Buße ist kein Aufruf zu Verzweiflung, Pessimismus oder falsche Vorstellungen von den Möglichkeiten menschlichen Lebens und menschlicher Bemühungen. Im Gegenteil, es ist der Aufruf, diese Möglichkeiten zu dienen ernster zu nehmen und sich dafür vom befreienden Wort des Evangeliums inspirieren zu lassen.

In meiner Arbeit und auf meinen Reisen werde ich wieder und wieder mit dieser Realität konfrontiert. Die Erfahrung hat mich gelehrt, dass es äußerst sinnvoll ist, die Herausforderungen, denen wir heute als Menschheit ausgesetzt sind, im Lichte des Erbes der Reformation zu betrachten. Nicht als allgemeinen Pessimismus oder Verdammung von allem Menschlichen, sondern als Aufmerksamkeit für die Existenz der Sünde und die Existenz der Bedürfnisse Anderer. Für mich ist das eher eine Hoffnung. In jeder Buße und darauffolgender Umkehr liegt Hoffnung.

Ein Testfall für unsere Solidarität ist aktuell sicherlich die Sorge um Frieden und Einheit in Korea. Diese besondere ungelöste Situation, die noch immer lediglich von einem Waffenstillstandsabkommen definiert wird, nicht von einem Friedensvertrag, ist eine zunehmende Bedrohung für das koreanische Volk, die Region Nordostasien, und letztlich auch für den Weltfrieden. Sie ist das Ergebnis einer Eskalation militärischer Aktivität und dem Aufbau Nordkoreas als Atommacht, aber auch der zunehmenden militärischen Aktivität, der umfassenden amerikanischen militärischen Präsenz auf der Halbinsel und der Drohung, das Atomwaffenarsenal der USA einzusetzen. Es ist meine tiefe Überzeugung, dass die Kirchen und die Zivilgesellschaft über ein großes Potenzial verfügen, vertrauensvolle Beziehungen aufzubauen, die Tür für Kooperation und Dialog zu öffnen und eine friedliche, diplomatische und politische Lösung zur Vermeidung eines eskalierenden Konflikts zu fördern. Der neue südkoreanische Präsident hat das kürzlich in einer persönlichen Begegnung mit uns energisch bekräftigt. Die Kirchen und ökumenischen Einrichtungen wie der NCCK, der ÖRK und die WGRK sind wichtig in der Geschichte der Demokratisierung und für die Friedensarbeit in Korea und sollten ihren Weg zu Gerechtigkeit und Frieden mit den Konfliktparteien fortsetzen - insbesondere jetzt, da der demokratische Neuanfang in Südkorea eine neue Chance bietet. Wir sollten all unseren Einfluss als ÖRK und als Mitgliedskirchen in unseren jeweiligen Ländern nutzen, um politische Initiativen für politische Prozesse zu unterstützen, die zu einem Abbau der Spannungen, zur Normalisierung der Beziehungen und zu einer neuen Einheit in Vielfalt für die Menschen in Korea führen können.

Die enge Verbindung zwischen unserem Streben nach Einheit als Versöhnung und einem gerechten Frieden sowie unserer theologischen Reflexion über die Einheit im Glauben und in Solidarität als Kirchen miteinander erkennen wir ganz besonders in dem Konflikt über die Vergangenheit und Zukunft von Israel und Palästina. In diesem Jahr erinnern wir uns an den Krieg im Juni 1967, der zu 50 Jahren Besetzung des Landes der Palästinenser geführt hat. Wir im ÖRK setzen uns unermüdlich für Gerechtigkeit und Frieden in Israel und Palästina ein. Bereits 1948 stellten wir fest: „Die Kirchen sind verpflichtet, für eine Ordnung in Palästina zu beten und zu arbeiten, die so gerecht ist, wie es inmitten unserer menschlichen Unordnung möglich ist“ (W. A. Visser ‘t Hooft (Hg.), The First Assembly of the World Council of Churches. London, SCM Press, 1949, 163). Dies tun wir im Rahmen unterschiedlicher Initiativen immer noch. Es gibt keine Rechtfertigung für diese Besetzung, die sich immer weiter zu einer Kolonisierung eines Gebietes außerhalb der international anerkannten Grenzen Israels entwickelt hat. Diese Besetzung einfach weiterbestehen zu lassen und die Situation zu akzeptieren, zeigt einen grundlegenden Mangel an Verständnis davon, was es bedeutet, Anderen der Nächste zu sein, den mangelnden Willen zu verstehen, was es bedeutet, unter der Besetzung zu leben, und einen Mangel an Mut, die Folgen davon als ernsthaftes moralisches Problem zu betrachten.

Was hier auf dem Spiel steht, ist unsere Verpflichtung auf die grundlegenden Werte, die auf dem tieferen Verständnis von Gottes Aufruf zu Einheit für die gesamte Menschheit beruhen; ein Aufruf zu Einheit in Vielfalt, aber in einem gerechten Frieden, nicht nur innerhalb oder für eine Gruppe, ein Volk oder eine Religion, sondern für alle. Wir müssen uns weiterhin dafür einsetzen und dafür beten, dass der Glaube an den einen Gott eines Tages eine andere Art von friedlichen und gerechten Beziehungen hervorbringen wird. Dieser Tag sollte bald kommen, bevor es zu spät ist.

4. Auf unserem Weg zur Einheit - ein Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens

Es gibt zahlreiche weitere Beispiele, wo die Solidarität, die Gebete und die Unterstützung der ökumenischen Familie benötigt werden, wie die Liste der vom ÖRK als Priorität eingestuften Länder zeigt. Neben Korea und Israel/Palästina engagieren wir uns im Friedensprozess in Kolumbien, in der Demokratischen Republik Kongo, in Burundi, Nigeria und Südsudan in Afrika, in Syrien und Irak im Nahen Osten, in Pakistan in Asien und in der Ukraine in Europa.

Unsere Arbeit dort sehen wir als Teil unseres Pilgerwegs der Gerechtigkeit und des Friedens, zu dem wir von der 10. ÖRK-Vollversammlung in Busan aufgerufen wurden. 2015 konzentrierten wir unsere Arbeit im Rahmen des Pilgerwegs auf Klimagerechtigkeit und die Klimakonferenz in Paris. 2016 lag der Fokus auf der Friedensförderung im Nahen Osten und in Israel und Palästina. Dieses Jahr setzen wir unseren Weg mit Friedensinitiativen und interreligiöser Zusammenarbeit in Nigeria und mit Friedensarbeit im Südsudan, im Kongo und in Burundi fort. Nächstes Jahr werden wir uns vorrangig auf Kolumbien und die Region Lateinamerika und die Karibik konzentrieren.

Wir wollen zeigen, dass die Gemeinschaft von Kirchen im ÖRK nicht nur auf dem Papier existiert, sondern auf die dringenden Bedürfnisse der Mitgliedskirchen reagiert. In diesem Kontext stehen die Einheit der Kirchen und die Glaubwürdigkeit ihrer Mission und ihres gemeinsamen Zeugnisses in der Welt auf dem Spiel - aber hier entfalten sie auch ihre Bedeutung. Das sind keine abstrakten Konzepte. Sie haben im Leben der Kirchen weltweit eine sehr konkrete Bedeutung.

Die Botschaft der Vollversammlung in Busan hat im Vergleich zu früheren Vollversammlungen eine entscheidende Richtungsänderung vorgenommen. 1948 erklärten die Kirchen in Amsterdam, dass sie beabsichtigten, beieinander zu bleiben. Das war nur drei Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs eine beachtliche Erklärung. Seitdem haben folgende ÖRK-Vollversammlungen diese Intention immer wieder bekräftigt. Aber die 10. Vollversammlung in Busan ging noch einen Schritt weiter. Die Delegierten der Vollversammlung in Busan erklärten, dass sie den Weg gemeinsam mit allen Menschen guten Willens gehen wollten. Sie betonten, dass es sich bei der Ökumene nicht um etwas Statisches, sondern um eine Dynamik in der Zusammenarbeit verschiedener Kirchen und der Interaktion mit Menschen guten Willens aus anderen Gemeinschaften handelt. Auf diesem Weg vertiefen wir unsere Gemeinschaft und Zusammenarbeit über die Grenzen unserer jeweiligen Gemeinschaft hinaus!

Das hat für alle Aspekte des Lebens und der Arbeit des ÖRK und seiner Mitgliedskirchen wichtige Konsequenzen. Darüber hinaus passt es äußerst gut zu den Erklärungen von Papst Franziskus, in denen er von der Einheit der Kirchen auf dem Weg spricht und ganz praktische Zusammenarbeit zugunsten aller Menschen und der ganzen Schöpfung fordert. In Lund fand diese Beziehung neuen Ausdruck, als im Zusammenhang mit dem gemeinsamen Gottesdienst auch eine Absichtserklärung zu Kooperation zwischen dem Lutheran World Service und Caritas Internationalis unterzeichnet wurde.

Das gemeinsame Zeugnis und Handeln der Kirchen muss mit dem theologischen Dialog und dem Bekenntnis zur Einheit Hand in Hand gehen. Keins von beiden kann sich ohne das andere weiterentwickeln. An dieser Stelle möchte ich aufhören, um noch Zeit für Fragen und Diskussion zu lassen. Ich bin überzeugt, dass Sie den Wert des Vorschlags erkennen, auf unserem Weg als Kirchen gemeinsam weiter zu gehen. Als ÖRK sprechen wir von einem gemeinsamen Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens, während Papst Franziskus von der Einheit auf dem Weg und der Notwendigkeit spricht, dass sich die Kirchen auf die Straße und zu denen am Rande der Gesellschaft begeben.

Wir haben gerade eine historische ökumenische Chance. Beten wir dafür, dass wir sie nicht verpassen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.