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von Pastor Dr. Olav Fykse Tveit, Generalsekretär des Ökumenischen Rats der Kirchen

Deutsche Übersetzung: Gerhilde Merz, Pax Christi Österreich.

In der Weltwoche für Frieden in Palästina und Israel rufen wir zum Gebet, zur Aktion und zur Anwaltschaft für Gerechtigkeit und Frieden in Palästina und Israel.

Der Geist Gottes ruht auf mir, weil der Herr mich gesalbt hat;
er hat mich gesandt, um den Unterdrückten die Gute Nachricht zu bringen,
zu verbinden, die gebrochenen Herzens sind,
Freiheit zu verkünden den Unfreien
und die Gefangenen zu befreien.   (Jes. 61,1)

Liebe Schwestern und Brüder in Christus!

Anlässlich der Weltweite Aktionswoche für Frieden in Palästina und Israel (World Week for Peace in Palestine Israel, WWPPI) schreibe ich diesen Brief, um die vielfältigen Wege anzuerkennen, die Mitgliedskirchen des ÖRK gesucht haben, um zum Frieden durch Gerechtigkeit in Israel und Palästina beizutragen und um Sie zur Wahrnehmung und zur Teilnahme an dieser bedeutenden Woche für Zeugnis und Friedens-bildung zu ermutigen. Die WWPPI ist eine wichtige Zeit, um gemeinsam unsere globale Solidarität zu beweisen.

Dieses Jahr war für Palästinenser und Israelis schrecklich. Kämpfe zwischen  der israelischen Armee und verschiedenen Palästinensergruppen in Gaza machten weltweit  Schlagzeilen im Monat August. Früher in diesem Jahr hat der ÖRK bereits seine Stimme erhoben und seine große Besorgnis ausgedrückt, dass ein Scheitern der Verhandlungen sowohl zur Errichtung neuer Siedlungen in der Westbank wie auch zur Eskalation der Gewalt führen würde. Obwohl die Gewalt in und um Gaza schrecklich war, dürfen wir nicht vergessen, dass ihr Entführungen, Mord und Töten aus Rache  vorangegangen waren, und dann eine Reihe von israelischen Ankündigungen folgte, dass noch mehr Land konfisziert und noch mehr Siedlungen gebaut würden. Und während all dieser Ereignisse wurden zahllose Palästinenser, meistens junge Männer, viele davon Teenager, durch die israelischen Sicherheitskräfte festgenommen und eingesperrt.

Der Schwerpunkt der WWPPI dieses Jahres weist uns daher auf die Gefangenen hin, einem der andauernden Aspekte der nicht enden wollenden israelischen Militärbesatzung von Palästina: Festnahme, Arretierung und Gefangenschaft so vieler Palästinenser. Die Erfahrungen der Palästinenser von Massen-Einkerkerungen wird gespiegelt in vielen anderen Bevölkerungs-Minoritäten, auch der afroamerikanischen Bürger der USA. Die Realität der Palästinenser jedoch ist, dass dieses  im Kontext einer 47jährigen militärischen Besatzung stattfindet. Die überwiegende Mehrheit der gefangenen Palästinenser in israelischen Gefängnissen sind politische Gefangene. Darunter sind viele Menschenrechtsaktivisten, Leiter der Zivilgesellschaft und gewählte Politiker. Einige werden für lange Zeiträume ohne Gerichtsverfahren oder den Minimalstandards eines entsprechenden Prozesses unter Vernachlässigung  der israelischen Gesetze für eine „Administrativhaft“ festgehalten. Gleichzeitig mit vielen dokumentierten  Fällen  von medizinischer Vernachlässigung und menschenunwürdiger Behandlung ist  dieser Umstand der Massen-Einkerkerung  von  Palästinensern durch die israelische Regierung ein Fall für das internationale Gesetz und die internationale Sorge. Der Ökumenische Rat der Kirchen erhebt seine Stimme in Sachen dieser verletzbaren Bevölkerung und fordert für jeden Einzelnen anständige Behandlung und einen ordentlichen Prozess, der zu einem gerechten Urteil führt. Zusätzlich fordern wir für alle politischen Gefangenen – in Israel und weltweit – dass sie sofort entlassen werden.

Palästinensische Gefangene in israelischen Gefängnissen sind ein zentrales Problem  für die politischen Führer beider Seiten. Wir notieren, dass die Weigerung  des Premierministers  Netanyahu, eine Gruppe von Gefangenen zu entlassen, das Ende der jüngsten Runde  der Verhandlungen markierte. Wir haben die Hungerstreiks der Gefangenen registriert und die  öffentlichen Proteste von Familienmitgliedern. Wir haben auch den tiefen Schmerz jener Israelis gehört, denen durch einige dieser Gefangenen Leid widerfahren ist.

Es ist oft einfacher wegzuschauen, wenn Gefangene erwähnt werden. Als Christen müssen wir daran erinnern, dass Jesus selbst sich mit Gefangenen identifiziert hat (Matth. 25.36), dass er für die Entlassung der Gefangenen gesprochen hat (Lk.4, 18) und dass die ersten Nachfolger Jesu sich oft im Gefängnis befunden haben (Apg. 12,7). Die Not der Gefangenen ist eine zentrale Sorge des weltweiten Leibes Christi.

Noch einmal, liebe Schwestern und Brüder, ersuche ich Sie, zur Teilnahme an der WWPPI dieses Jahres aufzufordern. Ich bete, dass Sie in Ihrer Solidarität gestärkt werden und dass bald praktische Schritte für die Herstellung  eines gerechten Friedens in Palästina und Israel unternommen werden können.

In Christus
Pastor Dr. Olav Fykse Tveit
Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen