Diese Botschaft zur Epiphaniaszeit 2007 richtet sich an Mitgliedskirchen und ökumenische Partner des Ökumenischen Rates der Kirchen und markiert den Beginn eines neuen Zeitabschnitts für unsere Gemeinschaft. Bitte verbreiten Sie diese Botschaft in den Kirchen sowie den angeschlossenen Diensten und Werken.

Gemeinsam finden wir unseren Platz in der Welt

Wir alle wissen, wie wertvoll die Unterstützung anderer ist. Wir wissen auch, dass wir zu Hause, am Arbeitsplatz und in unseren Kirchen gemeinsam stärker sind als wir es allein je sein könnten. 

Wie aber sollen wir der Verheißung der Einheit gerecht werden in einer christlichen Gemeinschaft, die um den ganzen Erdball reicht? Welchen Gebrauch machen wir von den großzügigen Gaben, die Gott uns geschenkt hat?

 Ich hoffe, dass wir, die wir zur Gemeinschaft des ÖRK gehören, in den kommenden Jahren erfahren dürfen, welche Kraft uns aus der Einheit erwächst (siehe Psalm 133), und dass wir diese gemäß dem Willen Gottes einsetzen. Diese Hoffnung wird Tag für Tag im Gottesdienst mit anderen neu entfacht. Diese Hoffnung war im vergangenen Jahr auf der ÖRK-Vollversammlung in Brasilien spürbar, wann immer Teilnehmende ihre Schuld bekannten, um Vergebung baten und nach Erneuerung strebten und wenn wir das Thema der Vollversammlung beteten, "In deiner Gnade, Gott, verwandle die Welt". Diese Hoffnung bestimmt auch unsere Zukunft. Diese Botschaft zur Epiphaniaszeit ist eine Einladung, mehr zu erfahren über die Pläne für die Jahre 2007-2013, den Zeitraum bis zur nächsten Vollversammlung, und sich daran zu beteiligen. 

Gemeinsam werden wir unseren Platz in der Welt finden und in der Einigkeit werden wir Gottes Ruf zu dieser Gemeinschaft hören (siehe Epheser 4, 2-16). 

Die ökumenischen Christenheit im 21. Jahrhundert gründet sich auf das gemeinsame Christuserlebnis und auf das gemeinsame Verständnis einer mit der ganzen Menschheit geteilten Welt. Auf diesen beiden Säulen muss auch der Ökumenische Rat der Kirchen stehen, wie er in den nächsten Jahren gebraucht wird.  

"Von Anfang an hat mich meine ökumenische Erfahrung gelehrt, dass ich nicht Christin sein kann, ohne ökumenisch zu sein", erklärte unlängst eine Kollegin, die aus ihrem Dienst im ÖRK ausschied. Den Ökumenikern und Ökumenikerinnen im 21. Jahrhundert muss es genauso ergehen. Sie gründen unsere Zukunft auf Kirchen, die Christus gemeinsam erfahren und die es wagen, für Gott in der Welt zu leben. Diese Neudefinition unserer christlichen Identität entfaltet sich nicht in einem Vakuum, sondern durch das Engagement in - und mitunter die Konfrontation mit - der Welt. So ist zum Beispiel deutlich geworden, dass wir heute neue und gesündere Beziehungen innerhalb des religiösen und weltlichen Mosaiks der Gesellschaften brauchen.  

Wir sind berufen, ein Volk zu sein, dass Christus gemeinsam sucht und ihm gemeinsam dient, Kirchen zu sein, die in der Verheißung von Gottes weltverändernder Liebe leben (siehe Römer 8, 35-39). Wir leben in kulturell verschiedenen Umfeldern und gehen vielleicht unterschiedlich mit den Herausforderungen unserer Zeit um, doch unsere Herzen müssen gemeinsam stark sein. Die letzte Vollversammlung im 20. Jahrhundert in Harare, Simbabwe, sprach von einer Ökumene des Herzens. Den Menschen in Afrika ist das Leben in Gemeinschaft wichtig, man sagt dort: Ich bin, weil wir sind. Dank der Fortschritte in unserer weltweiten Gemeinschaft sind ökumenische Mission und ökumenischer Dienst heute näher an die Menschen herangerückt, die sie ansprechen wollen. Ganze Bereiche der Zusammenarbeit sind von internationalen Organisationen auf nationale und lokale Gremien übertragen worden. 

Das ist allerdings nicht in allen Bereichen angebracht oder möglich. Eine globalisierte Welt bringt globalisierte Herausforderungen mit sich. Es ist ernüchternd, mitanzusehen, wie Ungerechtigkeit, Hass, Habgier und Götzendienst sich in neuen Formen und in neuem Umfang ausbreiten. Der Bereich der Geopolitik wird weitgehend von Angst, Terror und Vergeltung beherrscht.  

Die Kirche muss so gut es ihr möglich ist darauf reagieren. Nehmen wir beispielsweise ein Gebiet, auf dem wir über langjährige ökumenische Erfahrung verfügen: internationale Normen und Gesetze im Dienst der Menschen und Völker. Können wir als ein Glaubensvolk ein neues Verständnis vom Allgemeinwohl erarbeiten? Wenn die Moral zu wünschen übrig lässt, welche internationalen kirchlichen Initiativen können sie dann stärken? Wenn alle Menschen nach Gottes Bild geschaffen sind, können die Kirchen dann mehr tun, um die Gleichheit aller vor dem Recht zu verwirklichen? 

Die neuen Möglichkeiten müssen uns anstacheln, in diesem wie in anderen Bereichen. Stellen Sie sich nur vor, dass die Weltöffentlichkeit die Ortskirchen als Orte betrachten würde, wo man sich aktiv für die Erde, ihre Wasserquellen und ihre Atmosphäre einsetzt! Kirchliche Netzwerke, die heutzutage bis in alle Welt reichen, können organischere Beziehungen zu Ortsgemeinden aufbauen und umgekehrt. Stellen Sie sich in diesem Zeitalter globaler Angst Ortsgemeinden als Orte vor, die den Menschen eine Vorstellung von der Fülle der Liebe Gottes für die Welt vermitteln! 

Oder denken Sie darüber nach, ob Kirchen, die historisch mit "gerechtem Krieg" identifiziert worden sind, heute vielleicht für etwas stehen können, das so weit von Krieg entfernt ist, wie "gerechter Frieden". Die Last eines Jahrhunderts der Weltkriege und internationalen Konflikte lässt uns kaum eine andere Wahl, als eine neue Vision zu entwickeln.  

Indem wir das Mandat der Vollversammlung in Porto Alegre mit Leben füllen, schlagen wir ein neues Kapitel in unserer Geschichte auf. Vielerorts müssen sich die Kirchen daher um neue Formen des Zeugnisses in der Welt bemühen. Wir werden für die Einheit beten und sie suchen müssen, vielleicht besonders dadurch, dass wir uns für Gerechtigkeit und Versöhnung einsetzen und interreligiöse Partnerschaften für gemeinsames Handeln in schwierigen Fragen bilden. Ihre Vertreter und Vertreterinnen auf ÖRK-Tagungen sind der Überzeugung, dass sich die ökumenische Gemeinschaft in den kommenden Jahren stärker auf Zusammenarbeit und Kontakte als auf institutionelle Fragen konzentrieren sollte. 

Gestützt auf unsere Arbeit hier und in den Mitgliedskirchen kann sich die ÖRK- Gemeinschaft den Herausforderungen unserer Zeit stellen. Dabei werden uns neue und klarer definierte Prioritäten helfen. Der ÖRK ist in der Lage, den Kirchen und ökumenischen Partnern bei der globalen Vernetzung und bei gemeinsamen Initiativen als Kristallisationspunkt zu dienen. Es ist an der Zeit, nach außen zu blicken, nicht nach innen. Wir lassen uns auf neue Möglichkeiten ein, die der Wandel mit sich bringt, halten aber gleichzeitig an Werten fest, die Bestand haben. 

Als das globale Instrument dieser Gemeinschaft kommt dem ÖRK eine führende Rolle bei der Förderung von Zusammenhalt und Zusammenarbeit unter den Kirchen und ökumenischen Partnern zu. Unter der Lenkung seiner Leitungsorgane lädt der ÖRK Mitglieder ein, die Zusammenarbeit zwischen Angehörigen verschiedener Religionen zu stärken, Gewalt in ihren unterschiedlichen Ausdrucksformen zu überwinden, bei Regierungen und multilateralen Organisationen für Frieden und Gerechtigkeit einzutreten, Ungerechtigkeit in der Gesellschaft und die Zerstörung von Gottes Schöpfung anzuprangern sowie zur Heilung von HIV/AIDS und anderer Pandemien beizutragen. 

Diese Aufgaben spiegeln sich in neuen Programmen wider, mit denen auf die Herausforderungen und Anliegen der Mitgliedschaft reagiert wird: 

  • Ökumene im 21. Jahrhundert bereitet den Boden für die ökumenische Bewegung von morgen

  • Einheit, Mission und Spiritualität bemüht sich, aus den Kirchen die Kirche für heute zu machen

  • Öffentliches Zeugnis beschäftigt sich mit struktureller Gewalt, Unrecht und ungerechter Verteilung von Reichtum, fordert Rechenschaft von den Mächtigen, bietet eine Plattform für Friedensarbeit im Nahen Osten und schärft das Profil des ÖRK in internationalen Angelegenheiten

  • Gerechtigkeit, Diakonie und Verantwortung für die Schöpfung arbeitet an glaubhaften Antworten auf systemische Bedrohungen des Lebens

  • Ökumenische und religiöse Bildung bietet Konzepte für die ökumenische Reise

  • Interreligiöser Dialog und interreligiöse Zusammenarbeit beschäftigt sich mit einem der zentralen Anliegen der Zukunft der Menschheit 

Bei unserer künftigen Arbeit stützen wir uns auf das ökumenische Erbe, das uns zum Dienst in der Welt befähigt. Im Zentrum unseres Glaubens steht Jesus Christus als Heilsweg. Wir wissen aber, dass es nicht an uns ist, der Heilskraft Gottes Grenzen zu setzen, und dass Gott mehr vollbringen kann als wir erwarten oder uns vorzustellen vermögen. Als ein weltweites Gremium von Zeugen und Zeuginnen des Schöpfers, Erlösers und Erhalters allen Lebens, des dreieinigen Gottes, Vater, Sohn und Heiliger Geist, halten wir am Glauben fest. Wir trachten danach, in gerechten und liebevollen Beziehungen miteinander zu leben, und wir gehen das Wagnis ein, unter allen Umständen auf die Gegenwart Gottes zu zählen. Wir sehen die Oikoumene, die ganze bewohnte Erde, als das gemeinsame Zuhause der Menschheit und aller Glaubensgemeinschaften an. 

Es hat nie eine Zeit gegeben, in der solche gemeinsamen Hoffnungen und Bedürfnisse mit der Bitte um Erfüllung einer fernen Organisation zugestellt werden konnten. Wir werden den Herausforderungen in den kommenden Jahren nur gerecht werden können, wenn wir gemeinsam handeln. Es gibt vieles in unserer Welt, dass uns trennt, doch könnten die Chancen, aus der Einheit Kraft und Stärke zu schöpfen, heute größer sein als je zuvor.  

Gottes Horizont ist unser Bezugspunkt. Die Koinonia des Heiligen Geistes wird in Erkenntnissen und Überzeugungen lebendig, die weit über die Logik unserer Zeit hinausweisen. Das Leben ist uns nicht geschenkt, damit wir andere beherrschen oder selbstsüchtig mit ihm umgehen, sondern zum Miteinanderteilen, zur Dankbarkeit, zur Konvivialität und Freude. Gemeinsam müssen wir unseren Platz in der Welt finden, als Gottgläubige und als Kirchen im Dienst an der Welt.  

Im Sinne der Worte des Paulus im Epheserbrief (siehe oben) bete ich darum, dass uns, indem wir gemeinsam wachsen, die Gnade Gottes verwandeln und uns den Mut schenken möge, zu hoffen, und die Fähigkeit, einander zu verstehen und zu helfen. Mögen wir gemeinsam auf das Licht zu wachsen, das die Epiphanie in unseren Herzen und in unserem Leben anzündet. 

In Christus, 

Pfr. Dr. Samuel Kobia
Generalsekretär