Einleitung

1. Es ist mir eine große Freude, dass ich Sie zu dieser Tagung des Zentralausschusses begrüßen darf, auf der ich zum ersten Mal einen Bericht in meiner Eigenschaft als Generalsekretär ablege. Ich möchte da beginnen, wo wir aufgehört haben, als Sie mich am 28. August 2003 gewählt haben. Am Schluss meiner Annahmerede habe ich Sie, liebe Zentralausschussmitglieder, um Ihre geistliche Begleitung gebeten, und ich möchte Ihnen von Herzen für Ihre äußerst positive Reaktion darauf danken. Ich habe zahlreiche Botschaften erhalten: von kurzen Gebeten oder Gedichten über längere geistliche Meditationen und Bücher zur Spiritualität bis hin zu einem ganzen Paket voller Bücher mit reichhaltigen Aufsätzen und Kapiteln zur Spiritualität. Sie sollen wissen, dass diese Botschaften in den vergangenen vierzehn Monaten, die ich jetzt im Amt bin, treue Begleiter gewesen sind. Immer wieder nehme ich die eine oder andere Botschaft zur Hand, und alle sind bereichernd und erbaulich - eine Quelle, aus der ich meinen Durst nach Spiritualität stille.

2. Der Übergang von Konrad Raisers zu meiner Amtszeit verlief völlig reibungslos. Mein Bruder Konrad, der ja sehr diszipliniert und gut organisiert ist, achtete darauf, dass alles, was mit der Amtsübergabe zu tun hatte, gut geplant und organisiert war. Dafür bin ich ihm sehr dankbar. Auch meine Kolleginnen und Kollegen im Mitarbeiterstab haben mich nach Kräften unterstützt, und zusammen haben wir in der Berichtsperiode intensive Arbeit geleistet. Auf meine Bitte hin haben viele von ihnen ebenfalls zu meiner geistlichen Bereicherung beigetragen. Die wichtigsten Programmpunkte, die dem Programmausschuss vorgelegen haben, vermitteln einen Eindruck von der Breite und dem Umfang der Programmarbeit der verschiedenen Teams und Büros. Dem Finanzausschuss liegt darüber hinaus ein Bericht über Finanzen und Management vor, der ausgesprochen positive Elemente enthält, speziell im Rückblick auf die schwierigen Zeiten, die hinter uns liegen. Die finanzielle Erholung, die bereits eingesetzt hatte, bevor ich mein Amt übernommen habe, hält an, wie Sie aus dem Finanzbericht ersehen werden.

3. Ich habe meinen Bericht in drei Teile aufgeteilt, Zunächst möchte ich dem Zentralausschuss davon berichten, was ich während meiner Besuche bei Kirchen und in den verschiedenen Teilen der Welt gehört habe. Dabei geht es mir nicht um detaillierte Berichte, sondern darum, auszuleuchten, inwiefern die festgestellten Fragen und Anliegen unsere Diskussionen und unser Verständnis von der Ökumene im 21. Jahrhundert beeinflussen und mitprägen.

4. Im zweiten Teil meines Berichts möchte ich auf drei Arbeitsbereiche eingehen, für die dieser Zentralausschuss besondere Aufmerksamkeit und einen spezifischen Ansatz gefordert hat: die Gespräche mit den Bretton-Woods-Institutionen, die Dekade zur Überwindung von Gewalt und den Ökumenischen Arbeitsschwerpunkt Afrika. Jedes dieser Programme hat seine eigenen Charakteristika und die gewählte Arbeitsmethode ist geeignet, zu spezifischen Erkenntnissen und Einsichten zu gelangen. Jeder dieser Arbeitsbereiche hat inzwischen einen bestimmten Reifegrad erlangt, erfordert jedoch auch noch ein gewisses Maß an Weiterarbeit: entweder insgesamt, wie ursprünglich geplant (DOV); oder als logischer nächster Schritt nach Abschluss einer klar abgesteckten Phase (Gespräche mit den BWIs); oder in Form einer neuen Reihe von Herausforderungen, die den Schritt zu einem intensiveren Engagement erforderlich machen (Fokus Afrika).

5. Im dritten Teil möchte ich drei Bereiche institutioneller und organisatorischer Natur ansprechen: Die Sonderkommission, um aufzuzeigen, dass wir die Früchte einer der signifikantesten Unternehmungen dieses Zentralausschusses ernten. In einem kurzen Abschnitt über Personalangelegenheiten möchte ich auf das sich abzeichnende neue Profil des ÖRK-Stabes eingehen, wie es sich auf dem Weg zur nächsten Vollversammlung erkennen lässt. Und schließlich meine ich, dass ich meinen Bericht nicht abschließen kann, ohne auf meine Sicht der Vollversammlung von Porto Alegre einzugehen. Einen vollständigen Bericht über die Vollversammlungsvorbereitungen legt Ihnen der Planungsausschuss für die Vollversammlung vor.

6. Und schließlich möchte ich noch einen kurzen Abschnitt zu der Flutwelle anfügen, die die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf sich zog, weil sie so verheerende Folgen für weite Bevölkerungsteile rund um den Indischen Ozean hatte. In diesem Zusammenhang werden wir den Zentralausschuss um Unterstützung bitten, um den betroffenen Ländern durch Lebendige Briefe Begleitung anzubieten.

Teil I

 

Reisen

7. Ich habe mich entschlossen, im ersten Jahr meiner Amtszeit eine vertretbare Zeit darauf zu verwenden, mich in den Mitgliedskirchen und auch in der Welt vorzustellen und den Menschen zuzuhören. Ich beabsichtige, bis zur Vollversammlung im Februar 2006 alle Teile der Welt zu besuchen. Bisher habe ich sechs Regionen besucht und im Laufe des Jahres 2005 möchte ich noch der Karibik und dem Nahen und Mittleren Osten einen Besuch abstatten. Ich bin äuβerst dankbar für den herzlichen Empfang, den mir die Verantwortlichen unserer Mitgliedskirchen auf meinen Reisen bereitet haben. Überall habe ich echte ökumenische Gastfreundschaft erfahren, ob im Pazifik, in Nordamerika, in Lateinamerika, Asien, Afrika oder Europa.

8. Auf meinen Reisen haben sich in den Gesprächen mit kirchlichen und internationalen Führungspersönlichkeiten mehrere zentrale Themen herauskristallisiert:

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Es herrscht Angst angesichts der Unsicherheit in einer Welt der Gewalt, des Terrors und der präemptiven Kriegführung. Die Auflösung der gesellschaftlichen Zusammenhänge beunruhigt die Menschen ebenso wie die Möglichkeit, dass sich nicht-staatliche Akteure nuklearer Waffen bemächtigen.

Das Thema der Identität von Völkern gewinnt an Bedeutung in einer Zeit, in der religiöse Gruppen nach Wegen suchen, wie die Religionen der Welt positivere Beziehungen zueinander finden können. Hier ist ein Dialog über Identitäten auf der Basisebene dringend notwendig.

Das Gravitationszentrum der Christenheit erfährt eine demographische Verschiebung von Norden nach Süden. Parallel dazu lässt sich ein spürbares Wachstum im "informellen Sektor" des Christentums verzeichnen, deren Vertreter die Mega-Kirchen und andere Formen des Post-Denominationalismus sind, einschlieβlich einer "Spiritualität" auβerhalb der traditionellen Institutionen.

Im Bereich der Wirtschaft stellt sich mit dem Potenzial Asiens und des Südens insgesamt als Märkte und Produktionszentren die Frage, ob der Norden bereit ist, andere Regionen als gleichberechtigte wirtschaftliche, politische und militärische Partner anzuerkennen?

Die internationalen Wanderungsbewegungen eröffnen den Menschen Gelegenheiten zu reisen, sich zu bilden und Handel zu treiben, doch für die Schwachen bedeuten sie Restriktionen, Feindseligkeiten, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus wie auch Menschenhandel und moderne Sklaverei.

Die seit langem existierende Konfrontation zwischen dem Westen und der arabischen Welt ist durch den Krieg im Irak und die zunehmende Gewalt im israelisch-palästinensischen Konflikt noch verschärft worden. Wir müssen unbedingt nach Lösungen suchen, die einen gerechten und dauerhaften Frieden möglich machen.

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9. Diese Eindrücke von meinen Reisen scheinen ein eher düsteres Bild der Weltlage zu zeichnen, doch gibt es auch zahlreiche Zeichen der Hoffnung. In allen Teilen der Welt ist zu hören: "Eine andere Welt ist möglich - ein neuer Himmel und eine neue Erde!". Diese Stimmen zeugen von einer zunehmenden Spiritualität der Hoffnung und des Widerstands, von einer Welt, in der die Ausgegrenzten aktiv werden, um ihr Umfeld und ihre Institutionen zu verändern. Damit verbindet sich die Vision von einer Welt, in der die Menschen in Würde und in bestandfähigen Gemeinschaften leben. So Gott will, ist eine solche Welt möglich. Und diese Vision verdient die Unterstützung, das Gebet und das Handeln der Kirchen.

10. Im Rahmen dieses Berichts werde ich diese Themen nicht weiter entfalten oder analysieren. Vielmehr möchte ich auf ihre Implikationen für die Ökumene im 21. Jahrhundert eingehen.

 

Neugestaltung der ökumenischen Bewegung

11. Seit der letzten Tagung des Zentralausschusses haben wir den Reflexionsprozess über die Neugestaltung der ökumenischen Bewegung fortgesetzt. Dazu haben zwei Konsultationen stattgefunden. An der ersten im November 2003 in Antelias bei Beirut nahmen 36 Einzelpersonen mit verschiedenem Hintergrund teil, die keine Mitgliedskirchen oder Organisationen vertraten. Gastgeber dieser Tagung, der eine Jugendtagung zum selben Thema vorausging, war unser Vorsitzender, Katholikos Aram I.. Der Bericht von Antelias, den sicherlich viele, wenn nicht alle von Ihnen gelesen haben, weil er an alle Zentralausschussmitglieder geschickt wurde, unterstrich die Bedeutung einer Neugestaltung, stellte eine Reihe von Fragen heraus, die angesprochen werden müssen, und empfahl, der ÖRK möge eine weitere Konsultation einberufen, zu der eine repräsentativere Gruppe ökumenischer Akteure eingeladen werden sollten.

12. Diese zweite Konsultation fand nach einem ausführlichen Vorbereitungsprozess vom 30. November - 3. Dezember 2004 in Chavannes-de-Bogis bei Genf statt. Eine Beraterin, Jill Hawkey, hat inzwischen eine Landkarte der heutigen ökumenischen Bewegung ausgearbeitet und wird diesem Zentralausschuss das Ergebnis zu einem späteren Zeitpunkt vorlegen. Ferner haben wir alle ÖRK-Mitgliedskirchen zur Reflexion über die Ökumene im 21. Jahrhundert eingeladen. Und drittens haben wir eine Reihe von Einzelpersonen aus verschiedenen Regionen und Teilen der ökumenischen Familie gebeten, über zwei Hauptfragen nachzudenken: Welches sind Ihre Visionen der ökumenischen Bewegung im 21. Jahrhundert und welche Strukturen sind geeignet, diese Visionen umzusetzen? Wir waren uns bewusst, dass der Zentralausschuss verlangt hatte, dass die Kirchen der Motor des Prozesses der Neugestaltung der ökumenischen Bewegung sein sollten. Deshalb vertrat die Hälfte der 94 Teilnehmenden an der zweiten Konsultation Mitgliedskirchen des ÖRK. Die Erkenntnisse dieser Konsultation werden diesem Zentralausschuss zur Erörterung und Beschlussfassung vorgelegt.

13. Im Verlauf dieses Prozesses war es bereits in Antelias klar geworden, dass es nicht nur um die Vielfalt der ökumenischen Strukturen geht, sondern dass wir uns auch mit dem Inhalt der Ökumene im 21. Jahrhundert beschäftigen müssen. Dies klang auch in den Gesprächen an, die ich während meiner Reisen in verschiedene Teile der Welt geführt habe. Ich habe daher gründlich nachgedacht und möchte im nächsten Teil meines Berichts auf einige der Herausforderungen eingehen, die sich in der heutigen Welt abzeichnen und die wir in unserer Diskussion über die Ökumene im 21. Jahrhundert berücksichtigen müssen. Daneben gibt es Entwicklungen auf der kirchlichen Landkarte, die eine direkte Herausforderung für die Ökumene sind, und auch darauf möchte ich eingehen.

 

Neue Herausforderungen für die Ökumene

14. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts lässt sich eine neue Ideologie beobachten, die nicht im Wesentlichen von Ideen dazu bestimmt wird, wie konstruktive Veränderungen in der Gesellschaft organisiert und erleichtert werden können, sondern der es eher darum zu tun ist, die Kapazität zur Kontrolle und Beherrschung von Menschen und natürlichen Ressourcen zu steigern. Diese Ideologie verbreitet die Logik von Konfrontation, Wettbewerb, Krieg und Gewalt. Mit der Anwendung von Gewalt ist heute die Macht verbunden, die Welt der anderen durch die Benennung der "neuen Feinde der Menschheit" in einer Weise zu interpretieren, die eine Kultur der Gewalt legitimiert. In einer Zeit, in welcher der Säkularismus in der nördlichen oder westlichen Welt auf seinem Höhepunkt angekommen ist, bedeutet die Benennung der sog. "öffentlichen Feinde" zugleich einen Rückgriff auf die religiöse Symbolik von Gut und Böse, in der Gott angerufen wird, und zwar willkürlich angerufen wird, weil er für spezifische Angriffspläne eingespannt werden soll. In diesem Kontext bestimmen Unsicherheit, Furcht und Angst das Leben vieler Menschen in allen Teilen der Welt. Unsere Welt ist auch weiterhin voller Bedrohungen und kommt nicht zur Ruhe. Anstatt friedliche und gerechte Lösungen für die Probleme zu suchen, vertrauen die Gesellschaften eher auf militärische Macht. Die Nationalstaaten der entwickelten Welt sehen in immer raffinierteren Massenvernichtungswaffen zunehmend den einzigen Garanten für ihre Sicherheit. Doch selbst die nicht so entwickelten und nicht so reichen Länder trachten danach, sich durch dieselben gefährlichen Massenvernichtungswaffen zu schützen, die die Reichen und Mächtigen einsetzen, um ihre Hegemonie in der Welt auszubauen. In jüngerer Zeit geht die Tendenz zunehmend dahin, die Wirtschaftspolitik für politische und militärische Erwägungen einzuspannen und nicht für die Befriedigung von Grundbedürfnissen, wie es ihrem Zweck entspräche oder die zu befriedigen sie vorgibt. Mit anderen Worten, wir sind Zeugen der Geburt des neuen Militärstaats, der sich aus dem demokratischen Diskurs rechtfertigt, dessen erstes Ziel die Erleichterung eines Regimewechsels ist.

15. Diese Situation ist ein Angriff auf den Multilateralismus. Die Vereinten Nationen werden nicht nur angegriffen, sondern sie werden als ein Instrument für weltweiten Frieden und Sicherheit auch geschwächt und sogar unterminiert. Das schafft ein ungesundes soziales Klima in einer Welt, in der die globalen Ressourcen als Belohnung für die Loyalität gegenüber den Reichen und Mächtigen benutzt werden. Einige der reichen Länder sind von diesen hegemonialen Ambitionen regelrecht geblendet und ständig darum bemüht, eine neue Welt zu entwerfen, in der die Armen und Schwachen wenig oder kein Mitspracherecht haben. Der andere Verlust, der auf das Konto dieser Tendenzen geht, sind die demokratischen Gewinne der vergangenen zwei Jahrzehnte, die jetzt zurückgenommen werden. Schlimmer noch, das Gefühl der Unsicherheit in den reichen und mächtigen Ländern entlädt sich in der Schikane und Diskriminierung von Zuwanderern. In manchen Ländern dient die Einführung von Personalausweisen dazu, die Migration zu drosseln. Mehr und mehr greifen die Industriestaaten zur Überprüfung und Internierung von Einwanderern ohne Gerichtsverfahren und setzen unmenschliche Techniken ein, die die Privatsphäre der Menschen verletzen. Übertriebene Maßnahmen gegen den globalen Terrorismus bringen nur weitere Formen der Tyrannei gegen Ausländer in jenen Ländern hervor. Die Verletzlichkeit von Nationalstaaten, besonders im Süden, bedeutet heute auch die Schwächung des öffentlichen Zivilbereichs und die abnehmende Fähigkeit zu alternativen Möglichkeiten des Engagements. Diesen neuen Formen der Tyrannei ist nicht so leicht beizukommen, weil ihre Autorität formaldemokratisch legitimiert ist. Es würde zu der prophetischen Aufgabe der ökumenischen Bewegung im 21. Jahrhundert gehören, menschliche Gemeinschaften bei ihren Versuchen zu unterstützen, über die Logik von Gewalt und Beherrschung hinauszugehen und alternative, gewaltlose Wege der Konfliktlösung durchzusetzen.

16. Wir leben heute in einer Welt, in der die grundlegenden ethischen Kategorien im Zusammenhang mit der Bedeutung des Menschseins herausgefordert werden. Zu dieser Herausforderung gehört es, dass wir uns im Blick auf Authentizität und Paradigmenwechsel um neue Ideen bemühen. Ich denke, dies ist der geeignete Weg, die Identität und Zukunft der ökumenischen Bewegung zu bestimmen. Der Prozess der Neugestaltung ist daher eine Einladung an die weltweite ökumenische Bewegung, den Pfad der Selbsterneuerung zu gehen und sich noch intensiver der Probleme und Dilemmata anzunehmen, vor die die Welt heute gestellt ist. Die Neuformulierung der ursprünglichen Vision der Einheit der Menschheit in dem neuen oikos Gottes bildet den Kern der Bestrebungen der Kirchen, die in der Gemeinschaft des ÖRK zusammengekommen sind. Die gemeinsame Neuverpflichtung der Kirchen muss Aktivitäten gelten, die nicht nur die Achtung der Menschenrechte fördern, sondern auch eine neue Kultur des Friedens und der Gerechtigkeit begünstigen, die alle Formen der Gewalt in der Gesellschaft verhütet und überwindet. Unsere bleibende Verpflichtung ist es, die Kirchen in ihren vielfältigen Diensten und Initiativen mit wichtigen Erkenntnissen und Reflexionen zur künftigen Entwicklung angesichts der aktuellen Tendenzen zu begleiten. Das bedeutet, dass wir uns mit Zuversicht auf ein neu definiertes ökumenisches Engagement zubewegen, mit dem wir die Herausforderungen und Chancen der Kirche am Beginn des 21. Jahrhunderts begleiten.

17. In den vergangenen 50 Jahren haben sich neue soziale Phänomene herausgebildet, die ihre Legitimität ausschließlich aus ihrer informellen Arbeits- und Funktionsweise schöpfen. Bevor es Nichtregierungsorganisationen (NROs) gab, waren hauptsächlich Kirchen und einige wenige philantropische Institutionen und Netzwerke im Berich der menschlichen Entwicklung tätig. Die rasche Ausbreitung informeller und nicht-institutioneller Methoden der Not- und Entwicklungshilfe hat bewirkt, dass nicht nur die Kirchen, sondern sogar Regierungen im Süden mit diesen sozialen Werken um Ressourcen rivalisieren. Während die NROs offenbar den sozialen Handlungsraum ausgeschöpft haben und durch die komplexe Politik der Mittelbeschaffung vor Schwierigkeiten gestellt werden, sieht sich auch die institutionelle Kirche neuen Herausforderungen in Gestalt der aufkommenden nicht-kirchlicher Formen von ökumenischen Gemeinden gegenüber.

18. Es sieht ganz so aus, als träten wir in eine neue Epoche der Ökumene ein, in der förmliche Absprachen, institutionelle Strukturen und Privilegien durch neue Glaubensformen herausgefordert werden, die sich primär auf Erfahrungen stützen. Diese Ausdrucksformen, die sich in allen Teilen der Welt beobachten lassen, stellen eine klare Herausforderung dessen dar, was als Überbürokratisierung und autoritäre Strukturen der historischen Kirchen angesehen wird. Seit der Reformation hat es ein solches zunehmendes Misstrauen gegenüber den heutigen bürokratischen Institutionen nicht gegeben; noch sind jemals so viele Menschen aus den institutionalisierten Kirchen in, wie ich es bezeichnen möchte, informelle Strukturen übergewechselt. Diese post-denominationellen Ausdrucksformen des Kircheseins werden für die jungen Menschen, und in groβem Maβ auch für den Mittelstand, in der Dritten Welt immer attraktiver. Es gibt definitiv einen leeren Raum in den modernen Formen des Glaubensausdrucks, der dazu einlädt, kreativere, weniger bürokratische und auf Beziehungen beruhende Werte für das christliche Leben zu definieren. Diesem Phänomen liegt die Suche nach authentischer Spiritualität zugrunde, die eine Verbindung zu unserem Menschsein hat. Hier stellt sich die Frage, inwieweit die Post-Moderne die Menschen auch weiterhin ihrem Menschsein entfremdet. Ohne unseren grundlegenden Wunsch, miteinander in Beziehungen zu treten und zu teilen, was unser Menschsein ausmacht, würde das Christentum nicht viel Sinn machen. Wenn die Post-Moderne droht, uns unsere Fähigkeit zum Menschsein zu rauben, wie können wir dann noch für uns in Anspruch nehmen, Christen zu sein? Die Ökumene des 20. Jahrhunderts entstand zwar aus der Christlichen Studentenbewegung und ökumenischen Strömungen wie Glauben und Kirchenverfassung und Praktisches Christentum, doch kann sie heute nicht mehr allein von diesen Bewegungen getragen werden. Die Ökumene des 21. Jahrhunderts zu tragen, würde groβe Veränderungen innerhalb, und mehr noch auβerhalb, dieser ökumenischen Strömungen erfordern.

19. In meinem ersten Amtsjahr habe ich ganz bewusst und häufig jungen Menschen zugehört. Dabei wurde immer wieder diese Frage gestellt: Wie sieht die moralische und geistliche Grundlage eines sinnvollen Lebens aus? Wir brauchen eine Spiritualität, die das Gute in jeder religiösen Tradition umfasst. Dies gilt besonders für die Friedenserziehung. Deshalb ist es so wichtig, dass wir stets Raum anbieten für den Dialog zwischen den verschiedenen religiösen Traditionen und Glaubensrichtungen. Es ist heute nicht selten, dass junge Menschen aus christlichen Familien nach neuen Wegen suchen, um ihre Spiritualität zu leben, manchmal sogar auβerhalb der christlichen Kirche. Die ökumenische Bewegung muss daher die wichtigsten Glaubenselemente in einer Weise vereinen, dass die spirituellen Bedürfnisse der jüngeren Generation befriedigt werden können. Die ökumenische Bewegung im 21. Jahrhundert ist aufgefordert, auf das geistliche Verlangen unserer Zeit und insbesondere auf die Spiritualität, nach der die jüngere Generation trachtet, einzugehen. Die Ökumene muss eine organische Beziehung zu diesem Trachten nach erfahrungsbezogeneren Dimensionen des Glaubens aufweisen.

20. Dass die Spiritualität eine signifikante Rolle in der ökumenischen Bewegung spielt, ist nie in Zweifel gezogen worden. Unsere orthodoxen Freunde und Kirchenführer haben diese Tatsache immer wieder bekräftigt. Ich bin jedoch der Überzeugung, dass die Spiritualität einen noch gröβeren Platz in der Ökumene des 21. Jahrhunderts einnehmen muss, und zwei Erfahrungen haben mich seit meinem Amtsantritt in meiner Überzeugung bestätigt. Die erste ist eine Begegnung mit einer Gruppe junger Leute aus Dänemark, die Anfang 2004 in Genf zu Besuch war. Bei einem Gespräch im Ökumenischen Zentrum stellte ich fest, dass alle diese jungen Leute nach einem tieferen Sinn in ihrem Leben suchten, als ihnen ihre Gesellschaft bieten konnte. Aber fast alle von ihnen suchten diesen Sinn ausserhalb der Möglichkeiten, die ihnen die Kirchen oder andere Traditionen bieten. Die alten Formen der Religion erscheinen ihnen hohl. Sie suchen nach etwas Substanziellerem. Was versäumen so viele etablierte Religionen ihnen anzubieten? Die Antwort, die man in der Diskussion über diese Frage am meisten hört, ist: Spiritualität verstanden als lebendige und nicht als organisierte Religion.

21. Die zweite Erfahrung ist die Begegnung mit jungen Leuten aus der Nairobi Chapel in Nairobi. Die Nairobi Chapel ist nachweislich die heute in Kenia am schnellsten wachsende Gemeinde. Vor kaum zehn Jahren zog die damalige kleine Kapelle der Universität Nairobi lediglich eine Handvoll Gottesdienstbesucher an. Heute finden in der Nairobi Chapel an jedem Wochenende vier Gottesdienste statt und ein weiterer in der, um der ständig wachsenden Zahl der Gläubigen gerecht zu werden. Die Mitglieder der Nairobi Chapel sind fast ausnahmslos junge Leute, die den Kirchen, denen ihre Eltern angehören, den Rücken gekehrt haben. Sie fanden keine geistliche Erfüllung in den etablierten Kirchen, den anglikanischen, methodistischen, presbyterianischen und auch katholischen Kirchen, denn es gibt unter den Mitgliedern der Nairobi Chapel eine nicht geringe Zahl von Katholiken. Als ich sie nach ihrer kirchlichen Identität fragte, antworteten sie, sie seien einfach Christen und Christinnen, die zusammenkommen, um ihre Gemeinsamkeit in Christus zu feiern, und die einander verstehen wollen dadurch, dass sie Zeugnis davon ablegen, was Jesus in ihrem persönlichen Leben bedeutet. Gemeinsam haben sie sich einem dynamischen Prozess verschrieben, in dem sie einander zuhören, voneinander lernen und ihren Glauben miteinander teilen. Dieser Prozess hat ihre Spiritualität vertieft, und zwar nicht nur im Gottesdienst, sondern auch am Arbeitsplatz, denn die meisten von ihnen haben eine gute Ausbildung und stehen im Berufsleben.

22. Diese beiden Beispiele sind repräsentativ für ein weltweites Phänomen: junge Christen und Christinnen, die an ihrem Glauben festhalten wollen und nach einem tieferen Sinn in ihrem Leben suchen. Während die jungen Christen in Kenia eine Antwort gefunden haben (Nairobi Chapel, die für sie zu einem alternativen Gottesdienstort und -modus geworden ist), sind die jungen Christen aus Dänemark noch auf der Suche. Für mich ist Nairobi Chapel ein Beispiel für post-denominationelles Christentum. Für die jungen Leute dort stellt sich in der Weise, wie sie ihren Glauben leben, nicht die Frage nach der Bewahrung der Integrität der Lehre oder gar der Treue gegenüber den Kirchen ihrer Eltern. Sie repräsentieren eine sich herausbildende Basis-Ökumene, die voller Energie und Lebenskraft ist. Sie engagieren sich aktiv in nationalen Angelegenheiten wie dem Kampf um soziale Gerechtigkeit, Armutsbeseitigung und gute Regierungsführung. Besonders stolz sind sie jedoch darauf, wie sie mir anvertrauten, dass ihr Leben und ihre Arbeit in ihrer Spiritualität gründen.

23. Eine weitere Realität, die wir zur Kenntnis nehmen müssen, ist die Tatsache, dass die Evangelikalen, die in der Vergangenheit vor einem Engagement in sozio-politischen Fragen zurückscheuten, nicht mehr länger apolitisch sind. Wir wir während der Präsidentschaftswahlen in den USA gesehen haben, sind sie jetzt politisch engagiert und werden das wahrscheinlich als ein Merkmal ihrer sozialen Verantwortung auch weiterhin bleiben. Darüber hinaus entstehen neue "ökumenische Allianzen", die Evangelikale und andere auf der Basis gemeinsamer Wertvorstellungen im Blick auf moralische, soziale und politische Fragen eingehen. Ich setze diese Allianzen in Anführungszeichen, weil es einerseits um Evangelikale geht, die vorher etablierten protestantischen Kirchen angehörten oder noch angehören, und andererseits um römische Katholiken. Die Zusammenarbeit zwischen Evangelikalen und Katholiken ist natürlich nicht neu. Evangelicals and Catholics Together heiβt ein Dokument, das 1994 veröffentlicht wurde und das damals von einigen evangelikalen und römisch-katholischen Kreisen nicht gerade begeistert aufgenommen wurde. Es ist jedoch völlig klar, dass diese Allianz während der letzten Präsidentschaftswahlen in den USA einen Rahmen für die Zusammenarbeit in kulturellen, moralischen und sozialen Fragen geboten hat.

24. Der Reflexionsprozess zur Ökumene im 21. Jahrhundert muss diese Realitäten in Betracht ziehen. Sie erfordern eindeutig ein neues ökumenisches Engagement, das über traditionelle bilaterale Gespräche hinausgeht, um lokale geistliche Bedürfnisse einzubeziehen. Natürlich müssen wir untersuchen, inwieweit das Globale Christliche Forum eine Plattform für ein solches Engagement bieten kann, doch halte ich die Zeit auch für gekommen, uns mit den Herausforderungen zu befassen, welche diese lokalen Realitäten für die ökumenischen konziliaren Gremien darstellen, wie den Nationalen Kirchenräten und den Regionalen Ökumenischen Organisationen. Diese wiederum sind aufgefordert, der Artikulierung der Beziehung zwischen Selbstverständnis (ekklesiastisch) und Selbstdarstellung (ekklesiologisch) der verschiedenen Kirchen und Gemeinschaften mehr Aufmerksamkeit zu schenken und den Kirchen in dieser Hinsicht zu helfen.

25. Zum Abschluss dieses Teils meines Berichts möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass drei Hauptmerkmale des Post-Denominationalismus einen herausragenden Platz in der Ökumene des 21. Jahrhunderts einnehmen werden: Gemeinden, die sich nicht auf bestehende Kirchen stützen; Allianzen zwischen Christen, die auf gemeinsamen Wertvorstellungen zu moralischen und sozialen Fragen basieren; und die Suche nach geistlicher Sinngebung und ethisch-moralischer Wegweisung, besonders, aber nicht ausschlieβlich, seitens junger Menschen, ungeachtet von Unterschieden in der Lehre. Alle werden tiefgreifende Auswirkungen für den Ökumenischen Rat der Kirchen als einer Organisation kirchlicher Mitglieder haben wie auch für die konziliaren ökumenischen Gremien und die etablierten Groβkirchen.

26. Wie reagieren wir auf diese Herausforderungen, wenn wir uns der Zukunft des ÖRK zuwenden, und welche Vision wird uns leiten, um die Zeichen der Zeit zu erkennen und den künftigen Weg der ökumenischen Bewegung zu entwerfen? Ich glaube, das Thema unserer bevorstehenden Vollversammlung weist in die richtige Richtung: "In deiner Gnade, Gott, verwandle die Welt". Bei den Veränderungen, die wir vornehmen müssen, geht es nicht lediglich um Strukturen und organisatorische Formen und Vereinbarungen. Wir müssen uns auf einen Prozess der Verwandlung einlassen, der verwurzelt ist in der Umkehr zur Quelle unseres Lebens und des Lebens der gesamten Schöpfung, in dem dreieinigen Gott, den wir gemeinsam bekennen.

27. Wir vertrauen darauf, dass es eine Zukunft geben wird, dass tatsächlich "eine andere Welt möglich ist", weil wir auf die liebende Gnade Gottes vertrauen. Sündige Menschen sind aufgerufen, Gottes Kinder zu werden, geeint in dem einen Leib Christi und im Dienst der gesamten Menschheit, und Gottes Schöpfung ist dazu bestimmt, zu gedeihen. Ich bin zuversichtlich, dass die Diskussionen auf der Vollversammlung widerspiegeln, was ich bei meinen Besuchen in Kirchen in den verschiedenen Teilen der Welt wieder beobachtet habe, nämlich dass die Kirchen die verschiedenen Dimensionen, die ich oben beschrieben habe, zusammenhalten: die Verpflichtung zur Einheit der Kirche und zu Gottes Haushalt des Lebens; die Bereitschaft, über unsere eigenen Gemeinschaften hinauszugehen und mit Menschen anderen Glaubens für Frieden und Gerechtigkeit zusammenzuarbeiten, der Macht die Wahrheit entgegenzuhalten und eine Spiritualität zu nähren, die stark genug ist, den Versuchungen unserer Zeit zu widerstehen und unsere Gemeinschaften zu bewahren.

28. Der ÖRK hat die Aufgabe, dieses gemeinsame Engagement zu erleichtern, die Kohärenz der ökumenischen Bewegung und die Effizienz des Multilateralismus zu gewährleisten und eine starke, klare und glaubwürdige ethische Stimme zu erheben, die eine andere Interpretation der globalen Realitäten bietet.

Teil II

 

Treffen mit Bretton-Woods-Institutionen

29. Die Vollversammlung von Harare erteilte uns 1998 den Auftrag, uns mit der Globalisierung zu befassen und uns hierbei auf bestehende Initiativen von Kirchen, ökumenischen Gruppen und sozialen Bewegungen zu stützen und diese zu stärken, ihre Zusammenarbeit zu fördern und sie zu gemeinsamen Aktionen und Bündnissen mit anderen Partnern in der Zivilgesellschaft zu ermutigen, welche sich ebenfalls mit Globalisierungsfragen beschäftigen. Insbesondere wurden wir beauftragt, Alternativen zu den Aktivitäten transnationaler Institutionen wie dem Weltwährungsfonds und der Weltbank zu formulieren, um in sachkundiger Weise die negativen wie die positiven Auswirkungen ihrer Politik zu ermitteln.

30. Im Sinne dieses Auftrags waren für die Kirchen Leitlinien auszuarbeiten, die es den Mitgliedskirchen und ökumenischen Organisationen ermöglichen sollten, eine übereinstimmende Haltung gegenüber Institutionen zu entwickeln, die die wirtschaftliche Globalisierung propagieren (Zentralausschuss Potsdam 2001). Diese Leitlinien wurden in Form eines Hintergrunddokuments mit dem Titel Führe uns nicht in Versuchung - Die Antwort der Kirchen auf die Politik der internationalen Finanzinstitute vorgelegt. Das Dokument wurde den Kirchen und den Bretton-Woods-Institutionen (Weltbank und IWF) zugeleitet. Daraufhin ersuchten die internationalen Finanzinstitute (IFIs) um einen Dialog mit dem ÖRK.

31. Es sollte sich zeigen, dass die Weltbank und der IWF erwarteten, im Mittelpunkt der Treffen werde die Frage stehen, wie die Kirchen zur Umsetzung der Armutsbekämpfungsstrategien der IFIs und der von der UNO formulierten Millenniums-Entwicklungsziele beitragen können, während der ÖRK erwartete, es werde vorrangig um die Auseinandersetzung mit den Ursachen der gegenwärtigen Ungerechtigkeiten gehen. Der ÖRK unterstrich, Schwerpunkte müssten die kritische Analyse und die ethischen Implikationen neoliberaler Wirtschaftspolitiken in der heutigen Welt sein; es sei zu untersuchen, ob letztere entscheidend dazu beitragen können, die derzeitigen Ungleichgewichte in der Weltwirtschaft und die damit verbundene Gewalt abzubauen. Der ÖRK ging bei dieser Debatte von der Annahme aus, dass es Alternativen zum heutigen ungerechten Wirtschaftssystem gibt. Diese beiden sehr unterschiedlichen Perspektiven haben die Debatte von Anfang an geprägt.

32. Der Prozess erstreckte sich über zwei Jahre und umfasste drei erfolgreiche ÖRK/WB/IWF-Treffen sowie eine interne Tagung der Kirchen und Hilfswerke. Das erste Treffen fand im Februar 2003 in Genf statt. Auf der internen Tagung im September 2003 in Genf wurden die Kirchen auf den Prozess vorbereitet. Das zweite Treffen fand im September 2003 am Sitz der Weltbank und des IWF in Washington D.C. (USA) statt. Abschließend wurde im Ökumenischen Zentrum hier in Genf im Oktober 2004 ein hochrangiges Treffen veranstaltet, an dem der Präsident der Weltbank, der Stellvertretende Direktor des IWF, der Afrika vertretende ÖRK-Präsident und ich selbst teilnahmen. Geladen waren des Weiteren eine repräsentative Gruppe von kirchlichen Verantwortlichen, Vertreter und Vertreterinnen von kirchlichen Hilfswerken und Mitarbeitende aller drei Organisationen.

33. Aus diesem komplexen Prozess sind mehrere Lehren zu ziehen. Alle drei Institutionen bemühen sich um die Beseitigung (ÖRK) bzw. die Linderung (WB/IWF) der Armut. Ihrer Zielsetzung zufolge strebt die Weltbank eine Welt an, die dank Wachstum "frei von Armut ist". Der IWF will Armut mit Hilfe von finanzieller Stabilität und Wachstum abbauen. Der Ökumenische Rat der Kirchen hat von jeher betont, die Beseitigung von Armut sei nur durch den Abbau von Ungerechtigkeit und Ungleichheit zu erreichen, und deren Ursachen seien in der ungerechten derzeitigen Wirtschaftsordnung zu finden. Von Anfang an war klar, dass es bei der Beschreibung von ökonomischen und sozialen Problemen zwar einige Gemeinsamkeiten gibt, dass jedoch ausgeprägte Unterschiede dort bestehen, wo es um die Analyse dieser Probleme und um Lösungsmöglichkeiten geht.

34. Das Schlussdokument über Gemeinsamkeiten und Differenzen und die gemeinsame Erklärung lassen erkennen, dass WB und IWF nicht von ihrem Konzept des Wachstums als Allheilmittel für das Armutsproblem abweichen werden. Nach eigenem Bekunden haben sie weder den Auftrag noch die Sachkenntnis, die Menschenrechte zu fördern: dies sei Aufgabe der UNO. Die IFIs sind allerdings der Meinung, ihre Tätigkeit trage zur Förderung der Menschenrechte im Bereich der wirtschaftlichen Entwicklung und in den damit verbundenen sozialpolitischen Bereichen bei und ergänze damit die Arbeit der UNO. Was die Mitsprache in der Weltbank und dem IWF anbetreffe, so seien Abstimmungen nach wie vor weitgehend durch die wirtschaftliche Größe der teilnehmenden Länder geprägt.

35. Um sicherzustellen, dass diese Treffen sich mit den spezifischen Auswirkungen der Politik der IFIs vor Ort befassen, sind vier Bereiche festgelegt worden, in deren Rahmen Fallstudien zu einzelnen Ländern folgende Fragen untersuchen werden:

 

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Fallstudien auf Länderebene über die Strategiepapiere zur Armutsbekämpfung

Gemeinsame Aktivitäten zum Thema Regierungsführung

Gemeinsame Aktivitäten zum Thema Kämpfe der indigenen Völker

Gemeinsame Aktivitäten zum Thema HIV/Aids

Gemeinsame Aktivitäten zum Thema Programme der Gemeinwesenentwicklung

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36. Die mit dem ÖRK zusammenarbeitenden Hilfswerke und Kirchen sind also aufgerufen, sich an diesen Aktivitäten zu beteiligen. Die Fallstudie über Honduras, die vom deutschen Evangelischen Entwicklungsdienst (EED) in Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut Südwind ausgearbeitet wurde, könnte der Ausgangspunkt für die weitere Arbeit im Jahr 2005 sein. Die Verpflichtung des ÖRK, sich für die Verwirklichung des Evangeliumsgebots der Gerechtigkeit für alle einzusetzen, wird auch weiterhin der Rahmen für unseren Dialog mit den IFIs sein.

 

Dekade zur Überwindung von Gewalt

37. Die Dekade zur Überwindung von Gewalt (DOV) bietet einer zunehmenden Zahl von Kirchen in der ganzen Welt einen Rahmen, in dem Gewalt ganzheitlich und in allen ihren Formen zur Sprache gebracht werden kann und kreative Wege zur Überwindung von Gewalt entwickelt werden können. Die nächste Phase der Dekade wird sich auf die Erfahrungen in der ersten Hälfte stützen und u.a. neue Einstiegsmöglichkeiten für die Kirchen und Netzwerke anbieten, die Dynamik aufrechterhalten und den Rahmen für die Dekade präzisieren. Die programmatische Umsetzung erfolgt vor Ort, und Koordiniation bedeutet hier eher Übermittlung.

38. Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Einführung eines regionalen Fokus sehr effizient ist. Durch einen regionalen Fokus werden für die Kirchen der Region die Probleme im Zusammenhang mit der Gewalt sichtbar. Das war z.B. bei den US-Kirchen während des Jahresfokus von 2004 der Fall. Die Einführung eines thematischen Fokus hilft den Kirchen, ihre konkreten Aktivitäten zielgerichteter zu gestalten. Das Thema Die Kraft und die Verheißung des Friedens fand Anklang bei den US-Kirchen, die kreative und anregende Beiträge zu den Aktivitäten und Reflexionen beisteuerten, die das ganz Jahr hindurch zur Überwindung von Gewalt stattgefunden haben. Der Jahresfokus bietet einen dynamischen Rahmen, um Ressourcen und Kräfte der Kirchen zusammenzulegen. Zugleich ermöglicht er Solidaritätsbekundungen aus anderen Teilen der ökumenischen Familie. Im Fall der USA überbrachten Lebendige Briefe Botschaften aus aller Welt, die im Oktober 2004 auf der Tagung in Atlanta, die den Höhepunkt des US-Fokus darstellte, für inhaltsreiche Diskussionen sorgten.

39. Eine wichtige Erkenntnis der ersten Hälfte der Dekade ist, dass der Jahresfokus eine Schlüsselrolle in der Dekade übernommen hat: er schafft neue Handlungsräume und neue Synergien für Kirchen und Gemeinschaften in der Region, für die der Fokus bestimmt ist; gleichzeitig ermöglicht er einen internationalen Austausch von Informationen und Solidarität sowie die gemeinsame Feier.

40. Eine weitere wichtige Komponente der Dekade sind Konsultationen, um die Themen im Zusammenhang mit der Überwindung von Gewalt zu präzisieren und zu vertiefen. Die 6. Visser t` Hooft-Gedächtnis-Konsultation, die gemeinsam mit dem Ökumenischen Institut Bossey durchgeführt wird, stand auch im vergangenen Jahr wieder im Rahmen der DOV und fand zu dem Thema "Religion, Macht und Gewalt" statt. Es handelte sich um eine interreligiöse Konsultation, die sich darin von traditionellen Konsultationen unterschied, dass die 30 Teilnehmenden aus verschiedenen religiösen Traditionen und unterschiedlichen Kontexten, die sechs Tage lang zusammen lebten und arbeiteten, gerade das zum Thema hatten, was sie dort praktizierten: Prozess und Interaktion. Dieser einzigartigen Erfahrung sind reichhaltige Überlegungen zur Bedeutung und zu den Möglichkeiten der Überwindung von Gewalt aus einer interreligiösen Perspektive zu verdanken. Wichtigste Erkenntnis der Konsultation war, dass unser gemeinsames Menschsein unseren jeweiligen religiösen, ethnischen und kulturellen Identitäten vorausgeht.

41. 2004 rief der Ökumenische Rat der Kirchen die Mitgliedskirchen erstmals auf, sich an dem alljährlich von der UNO veranstalteten Internationalen Friedenstag am 21. September zu beteiligen und einen Internationalen Gebetstag für den Frieden einzuhalten. Die DOV-Webseite bot Materialien für Gebet und Liturgie an und veröffentlichte die Friedensbotschaften von Kirchenführern und Persönlichkeiten auf allen Kontinenten. Diese Botschaften wurden auch an die US-Kirchen geschickt. Die DOV-Webseite wurde in der Zeit sechsmal so oft wie normalerweise angesteuert, allein im September 250 000 Mal. Wenn der Internationale Gebetstag für den Frieden auch nicht die einzige Gelegenheit ist, wo die christlichen Kirchen für den Frieden beten können, so bietet er doch die Chance, sich im Gebet mit Glaubensgemeinschaften auf der ganzen Welt zusammenzufinden und so die ökumenische und die interreligiöse Dimension unserer gemeinsamen Arbeit zu stärken.

42. Das DOV-Programm sammelt und stellt weiterhin Materialien im Zusammenhang mit der Überwindung von Gewalt zusammen, die von den Kirchen entwickelt und getestet worden sind. D.h., dass sich DOV den Vorstellungen des Zentralausschusses gemäß entwickelt. Anstelle eines ÖRK-Programms ist DOV ein Instrument, das die Beiträge von Kirchen und Netzwerken zur Überwindung von Gewalt herausstellt und weit verbreitet.

43. Zu den Aktivitäten des DOV gehört auch die Vorbereitung des Jahresfokus 2005 in Asien in Zusammenarbeit mit der Asiatischen Christlichen Konferenz. Wir möchten diese Gelegenheit ergreifen, um Dr. Ahn Jae Woong, dem scheidenden Generalsekretär der CCA, für sein ökumenisches Engagement für die Kirchen in Asien und weltweit zu danken. Wir wünschen ihm Gottes reichen Segen.

44. In der Vorbereitungsphase der 9. Vollversammlung, die mit der Halbzeit der Dekade zusammenfällt, wird auch der Fokus für 2006 vorbereitet. Zu den DOV-Aktivitäten zur Dekadenmitte gehört auch die Einbringung von Komponenten zur Überwindung von Gewalt in die Weltmissionskonferenz im Mai 2005 in Athen und in die 9. Vollversammlung. Die Dekade zur Überwindung von Gewalt wurde mit der UN-Dekade für eine Kultur des Friedens und der Gewaltlosigkeit für die Kinder der Welt verknüpft und diese Verbindung kommt speziell in der Beteiligung an der Internationalen Koalition für die Dekade zum Ausdruck. In diesem Zusammenhang waren der ÖRK und DOV auf der ersten Internationalen Ausstellung der Friedensinitiativen in Paris vertreten.

45. Die Ergebnisse der ersten fünf Jahre der Dekade werden in die Plenarveranstaltung der Vollversammlung zum Thema Überwindung von Gewalt eingehen und diese mitprägen. Auf der Grundlage dieses Plenums und der Erfahrung in Porto Alegre wird die Vollversammlung Leitlinien für die zweite Hälfte der Dekade formulieren.

 

Ökumenischer Arbeitsschwerpunkt Afrika

46. Bei der Vollversammlung in Harare bestätigte der Bundesschluss der Afrikaner vom Kontinent und aus der Diaspora den kulturellen und sozialen Reichtum der Kirchen in Afrika und ihr wunderbares Geschenk des Glaubens an die weltweite ökumenische Familie. Als Antwort auf das Afrika-Plenum verpflichtete sich der ÖRK, die Kirchen in Afrika in ihrem Ringen um die Verwirklichung der Fülle des Lebens für die Menschen auf dem Kontinent zu begleiten. Das Motiv der Konsensfindung während der Vollversammlung in Harare wurde durch die Sprache der Ökumenizität bereichert, als die Vollversammlung "Padares", Marktplätze für Ideen für die Schaffung neuer Gemeinschaften der Hoffnung in Afrika, erlebte.

47. Der Ökumenische Arbeitsschwerpunkt Afrika (EFA) wurde vom Zentralausschuss nach der Vollversammlung in Harare mit einem Mandat ausgestattet. Er war als ein Prozess gedacht, der zur Neunten Vollversammlung hinführen sollte. EFA hat eng mit den afrikanischen Kirchen und der AACC zusammengearbeitet. Er bildete den Rahmen für die Begleitung der AACC in einer sehr schwierigen Periode, in der die Konferenz eine ernsthafte Führungskrise durchmachte. Das gewählte Thema für den Begleitungsprozess des EFA, Reise der Hoffnung für Afrika, erleichterte die Arbeit auf dem Gebiet der theologischen und der Bildungsarbeit, der ökumenischen Ausbildung, der Bemühungen um demokratische Veränderungen, um Frieden und Versöhnung, um Konfliktlösung sowie um wirtschaftliche Gerechtigkeit, Entwicklung und die Beschäftigung mit öffentlichen Angelegenheiten. Partnerschaftlich mit der AACC, den NKRs und regionalen Gemeinschaften wurde wichtige Arbeit zur Behandlung ethischer, wirtschaftlicher und missiologischer Themen rundum das Motiv "Siehe, ich werde ein neues Afrika schaffen" geleistet. Die Ökumenische HIV/AIDS-Initiative in Afrika (EHAIA), die umfangreichste ökumenische HIV- und AIDS-Initiative überhaupt, wurde im Rahmen von EFA ins Leben gerufen.

48. Besondere Erwähnung verdient unsere Begleitung der Friedensgespräche für den Sudan. Wir haben die Unterzeichnung des Umfassenden Friedensvertrages für den Sudan im Januar mit Freude begrüßt und Gott dafür gedankt. In unserem Glückwunschschreiben an die Hauptbeteiligten an dem Friedensprozess haben wir hervorgehoben, dass der Frieden auch auf Darfur ausgeweitet werden müsse, in dem sich heute die größte von Menschen gemachte Katastrophe in der Welt abspielt.

49. In einer umfangreicheren Veröffentlichung werden die Ergebnisse des EFA-Prozesses der Neunten Vollversammlung vorgelegt werden.

50. Nach Harare ist die historische Umwandlung der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) in die Afrikanische Union (AU) vollzogen worden, die Neue Partnerschaft für die Entwicklung Afrikas (NEPAD) wurde ins Leben gerufen; es wurden die regionalen Wirtschaftszonen wieder eingeführt, und es zeigen sich erste Anfänge für ein afrikanisches Parlament. Das alles sind Zeichen dafür, dass Afrika auf der Schwelle zu einer neuen Epoche der Hoffnung steht. Doch gleichzeitig werden diese Entwicklungen durch die anhaltenden Konflikte in einigen Teilen des Kontinents zunichte gemacht. Die Schulden lasten weiterhin schwer auf den Schultern der afrikanischen Staaten und der Menschen in Afrika. Das größte Problem im heutigen Afrika sind indessen zweifellos HIV und AIDS. Die immer größer werdenden Auswirkungen dieser Pandemie sind erschreckend und führen unter afrikanischen Männern, Frauen und Kindern zu einer Haltung eines sozialen Nihilismus.

51. Heute ist Afrika der einzige Kontinent, auf dem wirtschaftlicher Abstieg zu verzeichnen ist. Es wird bereits von einem verlorenen Kontinent gesprochen! Doch in dem Umgang eines Teiles der Welt mit Afrika lassen sich neue Tendenzen erkennen. Nach einer Zeit offenkundiger Gleichgültigkeit beginnt die Weltgemeinschaft nun wieder, "Afrika mit neuen Augen anzusehen." Der ÖRK hat damit schon vor einem Jahrzehnt begonnen.

52. Unter den Staaten der industrialisierten Welt übernimmt England die führende Rolle im Kampf gegen die Armut in Afrika. Das geschieht mit Hilfe klarer politischer Konzepte, die innerhalb der von der UNO definierten Entwicklungsziele für das Millennium (MDGs) zu greifbaren Ergebnissen führen sollen. Das Konzept der britischen Regierung sieht unter anderem vor, eine Kommission für Afrika einzusetzen, und die vorgeschlagene Internationale Finanzfazilität soll durch die Bereitstellung von jährlich 50 Milliarden US$ bis zum Jahre 2015 die Erreichung der Entwicklungsziele beschleunigen. Die britische Regierung hat sich mit der Frage befasst, auf welche Weise die Kirchen in Afrika, die über umfangreiche Basisstrukturen verfügen, in diese Entwicklungsbemühungen einbezogen werden können. Zu diesem Zweck hat der Chef des britischen Schatzamtes (Rt. Hon. Paul Boateng, ehemals Stellvertretender Vorsitzender von PCR) dem ÖRK zum Zwecke des Erfahrungsaustauschs einen Besuch abgestattet. Ein ähnlicher Besuch führte ihn zum Vatikan. Angesichts der Tatsache, dass die Kirchen ohnehin schon in mehrerer Hinsicht an der Entwicklungsarbeit mitwirken, haben wir beschlossen, in einem Dialog zu erkunden, was das konkret bedeutet könnte. Die AACC ist an diesem Prozess beteiligt. Wir bitten den Zentralausschuss um Hinweise, wie ein ökumenisches Engagement in diesem wichtigen Prozess konkret aussehen könnte.

53. Auf dem Weg zur Neunten Vollversammlung sehen wir, dass die ökumenische Begleitung Afrikas im Bereich der Friedensbemühungen und der Lösung von Konflikten ein neues Stadium erreicht hat. Partnerschaftlich mit der AACC und dem Christlichen Weltdienst des Nationalrates der Kirchen Christi in den USA wurde ein strukturierter und nachhaltiger Rahmen für Interventionen geschaffen, das Ökumenische Programm Herausragender Persönlichkeiten. Andere Initiativen aus dem multireligiösen Dialog und der multireligiösen Zusammenarbeit setzen hoffnungsvolle Zeichen in einer Region, in der der Missbrauch der Religion zu politischen Zwecken offensichtlich auch eine Quelle des Konflikts ist. Ökumenische Ausbildung, die Suche nach neuen Wegen, Kirche für die jüngere Generation zu sein, die Beseitigung der Armut und die Bemühungen um die Probleme des Klimawandels sind weitere Initiativen, die im Rahmen des EFA unternommen worden sind.

54. Zu diesem Zeitpunkt sollte das ökumenische Engagement für Afrika verstärkt werden. Das ist keine Forderung nach einem neuen besonderen Arbeitsschwerpunkt Afrika, sondern ein Hinweis darauf, dass diese Region in absehbarer Zeit auch weiterhin eine der höchsten Prioritäten des ÖRK bleiben muss.

 

Teil III

Sonderkommission

55. Die Arbeit der Sonderkommission trägt zunehmend Früchte. Ihre Ergebnisse durchdringen alle Bereiche des Lebens im Rat: die Theologie, die Strukturen und die Beziehungen. Am deutlichsten zeigt sich das in der Tagesordnung dieses Zentralausschusses, der sich mit Gegenständen zu befassen haben wird, die für die Rolle des Rates in der ökumenischen Bewegung jetzt und künftig von allergrößter Bedeutung sind. Ich nenne Ihnen hier zwei Beispiele.

56. Ekklesiologie. Die Sonderkommission hat der Ekklesiologie besondere Bedeutung beigemessen. Uns liegt heute die Erklärung zur Ekklesiologie für die Neunte Vollversammlung vor, die von der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung erarbeitet worden ist. Sie greift auf, was in den letzten Jahren in der Kommission zur Diskussion stand und baut auf den Erklärungen früherer Vollversammlungen auf; sie geht über das hinaus, was in Canberra zum Thema Einheit formuliert worden ist, und stellt unsere Bemühungen und Beratungen zu unserem grundlegenden Thema, Einheit der Kirche, in den Mittelpunkt.

57. Ich habe nicht die Absicht, hier auf die ganze Erklärung einzugehen, sondern möchte als herausragendes Beispiel nur den Themenschwerpunkt Theologie der Taufe nennen. Dieser sollte auch vor dem Hintergrund des Studiendokumentes betrachtet werden, das von der Gemeinsamen Arbeitsgruppe zwischen dem ÖRK und der römisch-katholischen Kirche zum Thema Ekklesiologie und ökumenische Implikationen einer gemeinsamen Taufe vorgelegt worden ist; das Studiendokument soll dazu beitragen, die Debatte über die ekklesiologischen und ökumenischen Implikationen der Anerkennung einer gemeinsamen Taufe zu unterstützen und zu präzisieren und geeignete Schritte zu unternehmen, um ein größeres Maß an Gemeinsamkeit erkennen zu lassen. Der Themenschwerpunkt Theologie der Taufe sollte auch anhand der Theologischen Kriterien für die Mitgliedschaft im ÖRK behandelt werden, die von der Sonderkommission veranlasst und von der Studiengruppe für Mitgliedschaft ausgearbeitet worden sind. Diese neuen Kriterien, die Bestandteil der Satzung des ÖRK werden sollen, stellen den Versuch dar, das Potential zu nutzen, das darin liegt, die Taufe zum Kernstück der Gemeinschaft zu machen und die Mitgliedskirchen aufzufordern, sich zur gegenseitigen Anerkennung der Taufe als grundlegendes Element der Stärkung und Förderung der Gemeinschaft zu verpflichten.

58. Wenn man alle diese Bemühungen betrachtet, kann man sagen, dass sich die in Harare und von der Sonderkommission gehegten Erwartungen zwar nicht alle erfüllt haben, dass aber ein großes Stück Weges zurückgelegt wurde und für die kommenden Jahre vielversprechendes Material erarbeitet worden ist.

59. Die damit verbundenen Erwartungen und Herausforderungen werden in der Art und Weise greifbar, in der Teilnehmer der interorthodoxen Tagung vor der Vollversammlung in Rhodos, Griechenland, darauf hingewiesen haben, dass sich die orthodoxen Kirchen und Theologen gezwungen sehen, sich den grundlegenden ekklesiologischen Fragen, die in dem Bericht der Sonderkommission aufgeworfen werden, systematisch zu stellen. Eine solche Studienarbeit halten sie "im Blick auf eine Reaktion auf die von der Sonderkommission respektvoll gestellten Fragen und auch im Interesse größerer Klarheit und Konsistenz dieser Fragen unter den orthodoxen Kirchen für notwendig und an der Zeit."

60. Konsens. Der Zentralausschuss wird aufgefordert, den neuen Artikel XVI: Ordnung der Sitzungen (anstelle von "Geschäftsordnung") zunächst zu erproben und dann zu beschließen, um auf diese Weise das institutionelle Leben des Rates von Grund auf zu verändern und von dem parlamentarischen Abstimmungssystem zu einem Verfahren überzugehen, durch das Konsens erzielt werden soll.

61. Der Koordinierungsausschuss der Sonderkommission hat bei seiner Tagung in Minsk, Weißrussland, zu Recht hervorgehoben, dass "das neue Konsensverfahren, das auf dem Prinzip der Beratung und der Suche nach Erkenntnis beruht, ein Schritt zu einem neuen Ethos und einer neuen Kultur ist, der eine Veränderung der Verhaltensweisen erfordert. Das Konsensverfahren hat das Potential, die Gemeinschaft der Kirchen zu stärken und zu vertiefen." Einige Mitgliedskirchen haben bereits in ihrem Leben und Zeugnis die Erfahrung gemacht, dass die Entscheidungsfindung mit Hilfe des Konsenses das Wesen der Kirche, wie es im Neuen Testament beschrieben wird, zutreffender widerspiegelt. Andere Mitgliedskirchen vertreten vehement die Auffassung, dass der ÖRK heute in einer von Konflikten, Spannungen und Krieg geprägten Welt nicht nur mit seinen Programmen, sondern auch in der Art und Weise, in der er seine Angelegenheiten regelt, Zeugnis ablegen könne.

62. Diese Veränderung wird nicht leicht zu vollziehen sein. Viele befürchten eine Paralysierung des Rates, wenn über besonders sensible oder dringende Gegenstände zu entscheiden ist. Viele unterstreichen die Notwendigkeit einer angemessenen Vorbereitung und Schulung für die Suche und Entscheidungsfindung im Wege des Konsenses; dazu seien neuartige Kenntnisse und Formen des Umgangs miteinander erforderlich. Viele bestehen auf der Notwendigkeit gewisser "Sicherheitsventile", die in den neuen Artikel eingearbeitet werden müssten, die beides zulassen, nämlich entweder in der Tagesordnung fortzufahren, oder den Mitgliedskirchen das Gefühl zu geben, dass sie respektvoll angehört werden.

63. Wer an der Formulierung des neuen Artikels mitgearbeitet hat, wird mir zustimmen, dass alle diese legitimen Bedenken sehr ernst genommen worden sind. Nunmehr sind wir so weit, dass wir demütig und im Vertrauen darauf, dass der Übergang zum Konsensverfahren das Potential des Rates stärken wird, auf dem Weg weiterzugehen, eine Gemeinschaft von Kirchen zu sein und eine spirituelle Verpflichtung einzugehen, die alle Mitgliedskirchen auffordern soll, weiterhin ihre prophetische Stimme zu erheben.

Personalangelegenheiten

64. In den letzten Jahren gab es im Rat insgesamt erhebliche Bewegung in der Personalsituation: einerseits ging die Zahl der Kernmitarbeiter/-innen stark zurück, andererseits nahm die Zahl der dezentralen Berater/-innen für die Programmarbeit zu (EEA - Ökumenische Bildungs- und Ausbildungsarbeit - EHAIA - Ökumenische HIV/AIDS-Initiative in Afrika). Es wurden Büros in den Regionen eingerichtet (Nahost- und Pazifik-Referat, Programm für Fragen indigener Völker, Ökumenisches Aktionsbündnis von und für Menschen mit Behinderungen); für konkrete Aufgaben wurden Fachberater/-innen berufen (Publikationen, Neugestaltung); es wurden neue Möglichkeiten für Abordnungen sondiert und eingerichtet (Finanzen, Kommunikation, Internationale Angelegenheiten), und der Einsatz junger Praktikant/-innen wurde ausgebaut. Außerdem haben die Programme Fachleute eingeladen oder junge Menschen in der Ausbildung mit Zeitverträgen eingestellt; außerdem haben Freiwillige dem Rat großzügig ihre Dienste angeboten.

65. All dies zeigt, dass sich das Gesamtprofil des Mitarbeiterstabes verändert hat und dass wir bereits ein neues Stadium im Umgang mit Personalfragen erreicht habaen. Ich stimme zu, dass die Veränderungen unübersehbar und beachtlich sind, möchte aber sofort hinzufügen, dass in diesem Bereich noch viel zu tun bleibt. Deshalb müssen wir uns gründlich mit den Ergebnissen und Empfehlungen des Auswertungsberichts vor der Vollversammlung zu Fragen des Managements auseinandersetzen.

66. Ich möchte erneut bekräftigen, dass die Vision des Rates am zutreffendsten in der CUV-Grundsatzerklärung beschrieben ist. Wir müssen uns die grundlegende Frage stellen, welche und wie viele Mitarbeiter wir benötigen, um diese Vision in den kommenden Jahren umzusetzen.

67. Der Ausschuss der Vollversammlung für Programmrichtlinien und nach ihm der Zentralausschuss werden die strategischen Schwerpunkte und die Bereiche der Programmarbeit für den Rat festlegen. Ich bin mir voll bewusst, dass wir, wenn wir diese Richtlinien und Beschlüsse sorgfältig beachten und umsetzen, auch sehr fundiert über den Personalbedarf des Rates werden entscheiden können.

68. Uns wird immer deutlicher bewusst, dass der Rat auf der Suche nach dem Wesen der ökumenischen Bewegung im 21. Jahrhundert eine führende Rolle spielen und kreative Beziehungen zu vielen ökumenischen Weggefährten und Partnern aufnehmen muss. Wir werden die schwierige Aufgabe haben, sorgfältig abzuwägen, welche neuen Personalentscheidungen der Rat treffen muss, um den neuen, wachsenden Anforderungen innerhalb der ökumenischen Bewegung gerecht zu werden.

Neunte Vollversammlung

69. Seit der letzten Tagung des Zentralausschusses sind gewaltige Schritte auf dem Weg zur Neunten Vollversammlung unternommen worden, die in einem Jahr in Porto Alegre, Brasilien, eröffnet wird. Als wir das letzte Mal zusammenkamen, hat dieses Gremium das Thema der Vollversammlung festgelegt: "In deiner Gnade, Gott, verwandle die Welt." Dieses Gebet ist die Vision, die wir bei unseren Vorbereitungen bis heute vor Augen haben.

70. Der Bericht des Planungsausschusses für die Vollversammlung (Dok. GEN 5) wird den Zentralausschuss von dem derzeitigen Stand des vorgesehenen Programms unterrichten. Die Vollversammlung wird zwar kürzer und kleiner sein, doch sie verspricht wichtige Beratungen und einen neuen Weg zur Entscheidungsfindung. Und sie wird nicht nur die in der Verfassung vorgeschriebenen Quoten von Delegierten und Vertretern, sondern auch viele andere Mitglieder der größeren ökumenischen Bewegung zusammenführen.

71. Es wird die erste Vollversammlung sein, die in Lateinamerika stattfindet. Das Zeugnis der dortigen Kirchen und die Herausforderungen, mit denen die Gesellschaften auf diesem Kontinent konfrontiert sind, werden in unsere Arbeit in Brasilien eingehen. Ich habe die Region Ende 2004 bereist und dabei eine große Hoffnung auf politische und wirtschaftliche Erneuerung gespürt; viele Menschen bemühen sich, die Wunden der jahrzehntelangen Militärherrschaft zu heilen. Die Rolle, die der ÖRK in diesen schwierigen Zeiten gespielt hat, seine Unterstützung und seine Solidaritätsbekundungen für die Menschen in Lateinamerika, wird dankbar anerkannt und gewürdigt. Viele sehen in der Vollversammlung eine günstige Gelegenheit, vor der Welt Zeugnis abzulegen und dem ÖRK zu danken, dass er in der Stunde ihrer großen Not in kritischer Solidarität zu ihnen gehalten hat. Die Vollversammlung in Porto Alegre wird zugleich eine Plattform bieten, von der aus der weitere ökumenische Weg der protestantischen, pflingstlichen und katholischen Kirchen in Lateinamerika die Kirchen in aller Welt dazu bewegen können, nach neuen ökumenischen Horizonten Ausschau zu halten.

72. Die Vollversammlung soll außerdem davon geprägt sein, dass die Mitgliedschaft des Ökumenischen Rates mündig geworden ist. Die Delegierten werden sich auf den Weg der Entscheidungsfindung im Konsensverfahren begeben und neue Wege der Verständigung über wichtige Erklärungen und Beschlüsse durch die Vollversammlung erkunden. Die Debatte der vergangenen Jahre über Ökumene im 21. Jahrhundert wird gleichfalls zeigen, dass gemeinsame Verpflichtungen und Erfahrungen unsere ökumenische Zukunft stärker prägen werden als die gemeinsame Mitgliedschaft. Die Vollversammlung wird eine neue Etappe in der ökumenischen Bewegung einleiten.

73. Ferner haben wir uns vorgenommen, die Vollversammlung zur jüngsten in der Geschichte des Ökumenischen Rates der Kirchen werden zu lassen. Wie schon häufig gesagt worden ist, sind junge Menschen nicht nur die Zukunft der Kirche, sondern sie sind die Kirche von heute. Mit Sicherheit werden sie die Kirche und die ökumenische Bewegung von morgen leiten. Wenn wir unsere Zukunft ernst nehmen, müssen wir es auch ernsthaft zulassen, dass junge Menschen den Weg weisen.

74. Junge Menschen werden bei der Vollversammlung in Porto Alegre eine Schlüsselrolle spielen. Es werden Jugenddelegierte, jugendliche Vertreter/-innen und jugendliche Berater/-innen an der Vollversammlung teilnehmen. 150 Jugendliche werden als Stewards tätig sein. Der Gastgeber-Ausschuss schlägt ein "Jugendlager" für 250 Jugendliche aus Brasilien und Lateinamerika vor. Alle bei der Vollversammlung anwesenden jungen Menschen werden drei Tage vor Beginn zur Vorbereitung und zur Feier der Vollversammlung zusammenkommen. Der Planungsausschuss für die Vollversammlung hat vorgeschlagen, junge Menschen aller Kategorien, die bei der Vollversammlung zugegen sind, einzuladen, zusammen mit den Delegierten an den Ökumenischen Gesprächen teilzunehmen.

75. Doch es muss noch mehr geschehen. Die Verkleinerung vieler Delegationen hat möglicherweise auch weniger Jugenddelegierte als bei früheren Vollversammlungen zur Folge. Die Verteilung der Sitze aus der 15 %-Quote entscheidet darüber, wie diesem Missstand konkret abgeholfen werden kann.

76. Wir haben in den letzten Wochen in Genf ein ganz neues Jugendteam im Mitarbeiterstab des ÖRK willkommen geheißen, dem Natalie Maxson als verantwortliche Referentin, Lukasz Nazarko als Berater und fünf Praktikant/-innen angehören. Sie werden auf unsere Unterstützung und unseren Beistand angewiesen sein.

77. Hier bei dieser Tagung sind 28 junge Menschen aus allen Teilen der Welt unter uns, die uns als Stewards bei unserer Arbeit unterstützen. Wir alle, die wir uns hier zusammengefunden haben, um die notwendigen Entscheidungen zur Vorbereitung der Vollversammlung zu treffen, sollten die Chance nutzen, darauf zu hören, was uns die hier versammelten jungen Menschen zu sagen haben.

Die Reaktion des ÖRK auf die Tsunami-Katastrophe in Asien

78. Im Dezember 2004, einen Tag nach Weihnachten, erschütterte die größte Naturkatastrophe der jüngsten Geschichte Süd- und Südostasien. Das verheerende Beben mit einer Stärke von 9,0 vor der indonesischen Insel Sumatra löste Flutwellen mit einer Geschwindigkeit von 1000 km/h aus, die über den Indischen Ozean und die Bucht von Bengalen hinwegfegten, der tödlichsten Tsunami-Welle seit derjenigen, die im Jahre 1755 die portugiesische Hauptstadt Lissabon zerstört und Schätzungen zufolge 60.000 Menschen den Tod gebracht hatte. Nach den derzeitigen offiziellen Zahlen sind mehr als 200.000 Todesopfer zu beklagen. Eine der schmerzlichsten Tatsachen dieser tragischen Ereignisse ist, dass schätzungsweise ein Drittel der Opfer Kinder sind.

79. Unmittelbar nach Bekanntwerden der Tsunami-Katastrophe sind ÖRK und ACT tätig geworden; die Kolleginnen und Kollegen haben sich mit unseren Mitgliedskirchen und -Räten in den betroffenen Ländern in Verbindung gesetzt. Unter anderem hat der Stab des Asienreferats seinen Urlaub abgebrochen und am 29. Dezember seine Arbeit aufgenommen. Das Asienreferat hat sich in enger Zusammenarbeit mit ACT der Not angenommen, die von einigen Mitgliedskirchen und Hilfsorganisationen gemeldet worden ist; die regelmäßig eingehenden Informationen von mehreren Kirchen und NKRs wurden in der ökumenischen Familie weit verbreitet. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben sich mit aller Kraft bemüht, menschlicher Not weltweit und vor Ort in den betreffenden Ländern zu begegnen. Der Asienreferent bereiste mit den leitenden Persönlichkeiten der NKRs und der Mitgliedskirchen der betroffenen Länder die von der Tsunami-Flutwelle heimgesuchten Gebiete in Sri Lanka und Indien.

80. ACT hat zwei Spendenaufrufe mit einem geplanten Budget von US$ 41.8 Mill. erlassen, die bereits in vollem Umfang von den Beiträgen der Glieder der ökumenischen Familie eingebracht worden sind. Die Ortskirchen in den Tsunami-betroffenen Ländern und ihren Nachbarstaaten haben sich auch an besonderen Missionen beteiligt, um ihre Solidarität mit den leidenden Menschen in den betroffenen Gebieten zu bekunden.

81. Ökumenische Solidarität mit den von der Tsunami-Flutwelle heimgesuchten Kirchen und Menschen wurde auch in einem Pastoralbrief ausgesprochen, der vom Vorsitzenden des Zentralausschusses und von mir selbst verfasst worden ist. Im Namen des ÖRK wurde unser tiefstes Mitgefühl bekundet und zugleich den beispielhaften Bemühungen unserer Mitgliedskirchen, dieser Tragödie zu begegnen, herzlich gedankt. In unseren Gebeten riefen wir Gott an, dass er sich unser aller erbarmen möge und wir zusammen mit Menschen anderer Glaubensüberzeugungen die Angst überwinden können, die uns eine Welt einflößt, die von Trümmern und Verzagtheit heimgesucht ist. Und wirklich taten sich nicht nur gläubige Menschen, sondern die ganze Weltgemeinschaft zusammen, um unseren Brüdern und Schwestern in den betroffenen Gebieten beizustehen. Es war eine Reaktion ohne Beispiel auf eine beispiellose Katastrophe. Aus der Tsunami-Tragödie können wir lernen, dass der gesellschaftliche und politische Wille der Weltgemeinschaft imstande ist, alle erforderlichen Mittel zu mobilisieren, um menschlicher Not in der Welt zu begegnen. Es war eine beispiellose Aktion, doch wir wünschen uns, dass es nicht bei dieser einen bleiben möge, damit auch andere Tragödien bewältigt werden können, denen die Menschheit ausgesetzt ist. Wir haben jedenfalls gesehen, wie Verlust und Schmerz auch die menschliche Familie zusammenschließen und das Stigma des Andersseins überwinden kann.

82. Eine andere Erkenntnis aus der Tsunami-Flutwelle ist, dass wir in einer zerbrechlichen Welt leben. Derartigen kosmischen Umwälzungen sind Menschen hilflos ausgeliefert. Am 26. Dezember haben wir gesehen, wie die Entfesselung der erschreckenden Kräfte des Kosmos uns an den Rand der Vernichtung bringen können; diese kosmische Tragödie sollte uns an unsere eigene Verwundbarkeit gemahnen. Wenn sich in unserem Leben erschreckende Dinge ereignen, gibt es stets einen Hang zu apokalyptischen Erklärungen. Manche Leute haben die Tsunami-Flutwelle im Indischen Ozean sehr schnell als Zorn Gottes über der sündigen Gemeinschaft gedeutet. Das ist nicht nur nicht hilfreich, sondern es weckt auch in den Köpfen bereits traumatisierter, mit dem Tod ringender Menschen Zweifel, wenn sich Christen solche Vorstellungen zu Eigen machen. Dies ist nicht der richtige Zeitpunkt, die Opfer für die Katastrophe verantwortlich zu machen.

83. Die Tsunami-Flutwelle hat unmittelbar jetzt und langfristig Folgen. Die materielle Not ist nach einer solchen Verwüstung vielfältig und unermesslich groß: es fehlt an Nahrungsmitteln, Wasser, Kleidung und Unterkünften. Die Verwüstung hat aber auch tiefgreifende traumatisierende Auswirkungen. Die psychischen und emotionalen Nöte einzelner Menschen, Familien und ganzer Gemeinschaften werden noch fortwirken, wenn die Medien längst nicht mehr über die Situation berichten. An diese Nöte denken wir, wenn wir vorschlagen, den von der Tsunami-Flutwelle betroffenen Ländern Lebendige Briefe zu schreiben. Aus den Erfahrungen der Vergangenheit, zuletzt nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA, wissen wir, dass die spirituelle Begleitung mit Lebendigen Briefen viel zur Heilung und psychischen Gesundung von Menschen beitragen kann, die darum ringen, mit den Folgen einer solchen Tragödie fertig zu werden. Wir hoffen, dass wir in den kommenden Monaten ein Team oder mehrere Teams von Kirchenführern und anderen Christen aus Asien und anderen Regionen der Welt zusammenstellen können, um die Menschen in den betroffenen Gebieten zu besuchen.