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Einleitende Bemerkungen

1. Der Ausschuss vergegenwärtigte sich zunächst seine Aufgabe: über Anliegen und Fragen nachzudenken, die sich in den beratenden Sitzungen der Zentralausschusstagung herauskristallisiert haben und als wichtig für die ökumenische Tagesordnung und für unseren zukünftigen Weg als Kirchen - als einzelne wie als Gemeinschaft - angesehen werden, und diese dem Zentralausschuss zu unterbreiten.

2. Im Rahmen dieser Tagung wurden dem Ausschuss sechs konkrete Aufgaben zugewiesen:
(i) die Stellungnahmen der Zentralausschussmitglieder zu den Herausforderungen unserer Zeit, die in Kleingruppen, Regionalsitzungen, etc. vorgebracht werden, zusammenzufassen;
(ii) den Entwurf der Botschaft anlässlich der Eröffnung der Dekade zur Überwindung von Gewalt zu prüfen;
(iii) die neue Rolle und den Stellenwert der regionalen Plenarveranstaltungen auf Zentralausschusstagungen zu prüfen und Vorschläge dazu auszuarbeiten, wie regionale Plenarveranstaltungen stärker dazu dienen könnten, die ökumenische Tagesordnung mit den Augen der Mitgliedskirchen aus der jeweiligen Region zu sehen;
(iv) Vorschläge für ökumenische Stellungnahmen zu den thematischen Plenarveranstaltungen zur Wirtschaft und zur Überwindung von Gewalt auszuarbeiten;
(v) den Entwurf eines Protokollpunkts zum Klimawandel, den der Exekutivausschuss an den Zentralausschuss weitergeleitet hat, zu prüfen;
(vi) der Arbeit von ACT, gemäß dem Ersuchen des Zentralausschusses, Anerkennung auszusprechen.

3. Der Ausschuss setzte sich kritisch mit zwei Fragen zum Arbeitsprozess und zum zeitlichen Ablauf der Zentralausschusstagung auseinander:
(i) die Padares, die wichtiger Bestandteil des Prozesses der Entwicklung und Herausarbeitung neuer Anliegen und Tendenzen sind, waren zwei Tage nach den Ausschusssitzungen anberaumt;
(ii) die Plenarveranstaltungen zur Dekade fanden samstags statt, so dass der Ausschuss nicht in der Lage war, die dort vorgebrachten Stellungnahmen bei der Ausarbeitung seiner Empfehlungen zum Inhalt der Botschaft zur Dekade zu berücksichtigen; angesichts der Schwerpunkte, die der Vorsitzende in seinem Bericht gesetzt hat, und des Interesses, auf das dieser Bericht gestoßen ist, wäre es - im Hinblick auf den Tagungsablauf und die Arbeit des Ausschusses - sinnvoller und effektiver gewesen, die Plenarveranstaltungen zur Dekade zu einem früheren Zeitpunkt abzuhalten.

Dekade zur Überwindung von Gewalt

4. Die Botschaft zur Dekade, die der Ausschuss im Anschluss an die detaillierte Prüfung eines vom Vorsitzenden der DOV-Arbeitsgruppe vorbereiteten Entwurfs formuliert hatte, wurde dem Zentralausschuss unterbreitet und zur Kenntnis gebracht. Ein Exemplar der Botschaft ist diesem Bericht beigelegt.

Berichte des Vorsitzenden und des Generalsekretärs

5. Der Ausschuss sprach dem Vorsitzenden und dem Generalsekretär seine Anerkennung für ihren jeweiligen Bericht und die zahlreichen relevanten Überlegungen, die sie darin vorgebracht haben, aus. Die Diskussion konzentrierte sich speziell auf die Frage der Anwendung von Gewalt als "letztem Ausweg". Die Meinungen, die im Ausschuss zu diesem Punkt sowie zu der Frage geäußert wurden, ob es möglich sei, Übereinstimmung in der Definition von Gewalt zu erzielen, gingen weit auseinander. Der Ausschuss erkannte, dass zwischen dem Aufruf zur Einheit (zum gemeinsamen Kirchesein) und dem Eintreten für die Überwindung von Gewalt ein Zusammenhang besteht. Das Zeugnis der Kirche und einzelner Christen besteht darin, der Kultur der Gewalt zu widerstehen, wobei Gewaltlosigkeit die christliche Norm sein sollte. In Situationen, in denen Gewalt angewendet wird, sollte der Schwerpunkt nicht auf theoretische Überlegungen, sondern auf praktische Versöhnungsarbeit gelegt werden: solche Erfahrungen haben stets instruktiven wie auch verwandelnden Charakter. Friedensarbeit und Aufbau von Gemeinschaft sind Prozesse, die immer wieder große Anforderungen stellen und häufig einen hohen Preis fordern; insbesondere in Bereichen, in denen der Druck sehr groß ist, wie z.B. bei interreligiöser Gewalt oder Gewalt im Leben der Kirchen selbst, muss die Kirche aktiv werden.

6. Im Rahmen der fortlaufenden Arbeit des ÖRK und der Kirchen auf regionaler, nationaler und lokaler Ebene zur Dekade erachtet der Ausschuss es deshalb als notwendig, den Kirchen zu helfen, in ihrem besonderen Kontext evangeliumsgetreu zu leben. Er gestand ein, dass wir dabei keine andere Wahl haben, als mit einem gewissen Grad an Ambivalenz zu leben und anzuerkennen, dass Gewalt struktureller Natur ist und viele verschiedene Ausdrucksformen hat. Ferner erkannte er an, dass es Situationen gibt, in denen auch Christen das Gefühl haben, "keine Wange mehr zu haben, die sie noch hinhalten könnten," und in denen jene, denen nichts anderes übrig bleibt, als Zugeständnisse zu machen, nicht nach menschlichen Maßstäben verurteilt werden sollten. Der Weg nach vorne kann nur der Weg des Kreuzes und der Verheißung eines neuen Lebens in Jesus Christus sein. Andererseits dürfen die Kirchen nie aus den Augen verlieren, dass sie dazu berufen sind, ihre besondere christliche Botschaft zu verkünden und das Evangelium zu verkörpern, das ihnen die Kraft und den Mut gibt, für Versöhnung einzutreten. Selbst in vorwiegend säkularen Gesellschaften wird die ethisch-moralische Autorität der Kirchen nach wie vor geachtet, wenn die Kirchen selbst integer sind, aber sie haben auch die Verantwortung, in politischen Fragen informiert zu sein und die Hintergründe struktureller Gewalt zu verstehen; der wichtigste Beitrag, den Christen leisten können, besteht häufig darin, die richtigen Fragen zu stellen.

7. Zwar muss betont werden, dass die DOV kein Programm des ÖRK ist, sondern ein Prozess, der von den Kirchen auf regionaler, nationaler und lokaler Ebene vorangetrieben werden muss, doch empfehlen wir, dass der ÖRK sich darum bemühen sollte, seine Rolle in folgender Weise auszufüllen:
(i) er sollte als "Schaltbrett" dienen, indem er auf besondere Situationen und Erfahrungen aufmerksam macht und den Austausch von Reaktionsmodellen, Fallstudien und Erkenntnissen zur gegenseitigen Anregung fördert;
(ii) er sollte Aktivitäten koordinieren, die auf globaler oder transregionaler Ebene organisiert werden müssen, wie z. B. Begegnungen für kreative theologische Reflexion (mit Schwerpunkt auf der Person Christi) und Kontextanalyse;
(iii) er sollte Initiativen, die von bestimmten Kirchen oder in den Regionen ergriffen werden, begleiten, damit sie ihre volle Wirkung und ihr Potenzial entfalten können; dabei sollten primär Prozesse gefördert werden, in deren Mittelpunkt der Mensch steht und die andere Gruppen und Bewegungen, die im betroffenen Gebiet aktive Friedensarbeit leisten, mit einbeziehen.

8. Der Ausschuss hat dem Weisungsausschuss für Grundsatzfragen III eine Reihe von Kommentaren zu den Themen Kirchesein und "ökumenischer Raum" unterbreitet, die in der Diskussion über den Bericht des Generalsekretärs und in den Kleingruppen vorgebracht wurden.

Globales ökumenisches Aktionsbündnis

9. Der Ausschuss zeigte sich interessiert, mehr über das Globale ökumenische Aktionsbündnis zu erfahren, dass im Dezember ins Leben gerufen wurde und innerhalb des ÖRK koordiniert wird. Es wurden Fragen nach dem Arbeitsstil gestellt, den das Bündnis entwickeln wird. Wird es eine halbautonom arbeitende Nichtregierungsorganisation sein oder wird es die Kirchen einbeziehen? Der Ausschuss empfiehlt, Maßnahmen zu ergreifen, um direkte und regelmäßige Arbeitsbeziehungen zwischen dem Bündnis und den Kirchen herzustellen.

Wirtschaftliche Globalisierung: ein kritischer Blick und eine alternative Vision

10. Der Ökumenische Rat der Kirchen wurde von der Vollversammlung in Harare beauftragt, auf die Herausforderung der Globalisierung einzugehen und dieses Thema zu einem zentralen Punkt der ökumenischen Tagesordnung zu machen. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Arbeit zu diesem Thema auf bestehenden Initiativen von Kirchen, ökumenischen Gruppen und sozialen Bewegungen aufbauen und diese verstärken sollte. Sie sollte ferner die Zusammenarbeit dieser Partner untereinander fördern und sie zu gemeinsamen Aktionen und Bündnissen mit anderen Partnern in der Zivilgesellschaft ermutigen, die ebenfalls zu Globalisierungsfragen tätig sind. Als ein geschichtlicher Prozess hat sich die Globalisierung in verschiedenen Wellen ausgebreitet. Einige, darunter die Urvölker, betrachten die wirtschaftliche Globalisierung als eine zweite Kolonisierungswelle. In jüngster Zeit liegt der Akzent ausschließlich auf wirtschaftlichen Werten. Wenn die wirtschaftliche Globalisierung unvermindert anhält, werden radikal Gemeinschaften zerstört, spirituelle Werte ausgehöhlt und die ökologischen Lebensgrundlagen bedroht. Wirtschaftliche Globalisierung bedeutet Konzentration von Macht und Reichtum in den Händen einiger weniger.

11. Zwei Jahre nach der Vollversammlung ist der Prozess der wirtschaftlichen Globalisierung noch intensiver geworden, doch haben sich auch die Gegner inzwischen mehr Gehör verschafft. Die Mitgliedskirchen des ÖRK und zivilgesellschaftliche Bewegungen müssen die zunehmende Ungerechtigkeit, die durch die wirtschaftliche Globalisierung und deren destruktive Folgen für Mensch und Schöpfung entsteht, jetzt verstärkt auf ihre Tagesordnung setzen. Anhand der Berichte, die in der Plenarveranstaltung vorgetragen wurden, konnten sich die Zentralausschussmitglieder ein Bild von den lokalen Auswirkungen der wirtschaftliche Globalisierung und von kreativen Alternativen machen, die auf Ortsebene entwickelt werden. Die Redner und Rednerinnen vermittelten die Botschaft, dass aus dem Glauben erwachsende Antworten die Menschen handlungsfähig machen, so dass sie den Kräften der wirtschaftlichen Globalisierung widerstehen können, und dass eine koordinierte Reaktion Wirkung zeigen kann. Die Plenarveranstaltung zur Weltwirtschaft und die anschließenden Diskussionen unter den Zentralausschussmitgliedern auf der Tagung in Potsdam machten deutlich, dass unverzügliches, koordiniertes, durchdachtes und sachkundiges Handeln erforderlich ist.

12. Die Logik der wirtschaftlichen Globalisierung steht im Gegensatz zur Vision der ökumenischen Bewegung von der Einheit der Menschheit und der Schöpfung Gottes, des gesamten Haushalts des Lebens. Das Verständnis, dass der Würde des Menschen als Ebenbild Gottes allerhöchste Bedeutung zukommt und dass der Mensch seine Erfüllung in der Gemeinschaft findet, ist verloren gegangen. Die der wirtschaftlichen Globalisierung zugrunde liegende Anthropologie sieht Menschen eher als Individuen denn als Gemeinschaftswesen an, als von ihrem Wesen her eher rivalisierend denn als kooperativ, als materialistisch denn als geistig-spirituell. Wirtschaftliche Globalisierung bedroht die Vielfalt der Kulturen. Sie wirkt sich auch auf die Kirchen aus, indem sie eine konsumorientierte Religion und eine unternehmerhafte Amtsausübung einführt.

13. Die Dringlichkeit dieser Frage macht es erforderlich, dass sich der ÖRK, gestützt auf die Erfahrungen der Mitgliedskirchen, auf gobaler Ebene engagiert, um sein prophetisches Zeugnis zu Gehör zu bringen. Der Ausschuss ist sich bewusst geworden, dass die in Harare als Priorität herausgestellte Arbeit zur Globalisierung von den Teams im Arbeitsbereich "Themen und Problembereiche" in Zusammenarbeit mit den Teams im Arbeitsbereich "Beziehungen" einen koordinierteren Ansatz verlangt.

14. Der Ausschuss empfiehlt,
(i) Die Mitgliedskirchen und der ÖRK sollten eine umfassende ökumenische theologische Analyse der wirtschaftlichen Globalisierung und ihrer Auswirkungen auf die Kirchen sowie eine theologische Grundlage für die Suche nach Alternativen erarbeiten, die von dem Arbeitsbereich "Themen und Problembereiche" koordiniert werden sollen. Diese Arbeit sollte Studienarbeit, Informationsaustausch und Ausbildungsworkshops einschließen. Der Zentralausschuss regt eine ständige Zusammenarbeit mit ökumenischen Partnern in diesem Bereich an, beispielsweise mit dem Reformierten Weltbund in seiner Arbeit zu wirtschaftlicher Gerechtigkeit.

(ii) Der ÖRK sollte seine Kompetenz dadurch stärken, dass er Vertreter/innen aus Kirchen beteiligt, die von wirtschaftlicher Globalisierung betroffen sind, sowie ökumenische Organisationen, soziale Bewegungen, Forschungseinrichtungen und Fachleute auf diesem Gebiet. Der ÖRK muss sich an der Entwicklung einer globalen Reaktion auf die Herausforderungen der wirtschaftlichen Globalisierung beteiligen, die in Initiativen vor Ort verankert ist, damit seine Vertreter/innen sich wirksam auf weltweiter Ebene engagieren können. Diese Arbeit schließt u.a. Folgendes ein:
a) die Ausarbeitung von Leitlinien für Kirchen, die es den Mitgliedskirchen und ökumenischen Organisationen ermöglichen sollen, eine übereinstimmende Haltung gegenüber Institutionen zu entwickeln, die die wirtschaftliche Globalisierung propagieren, und
b) Informationsaustausch zur Schärfung des Bewusstseins für die nachteiligen Auswirkungen der wirtschaftlichen Globalisierung zu schärfen.

(iii) Der ÖRK sollte seine Bemühungen auf Alternativen zur wirtschaftlichen Globalisierung konzentrieren, die von christlichen Wertvorstellungen ausgehen; und zwar in den folgenden drei Bereichen:

  • Veränderung der derzeitigen globalen Marktwirtschaft zugunsten von Gerechtigkeit und von Wertvorstellungen, die die Lehre und das Vorbild Christi widerspiegeln;
  • Entwicklung eines gerechten Handels;
  • Förderung eines gerechten Finanzsystems ohne Schuldenlast, Korruption und ohne Streben nach überzogenen Spekulationsgewinnen.

    (iv) Der ÖRK sollte im Rahmen der Dekade zur Überwindung von Gewalt auf die den Wirtschaftsstrukturen inhärente Gewalt aufmerksam machen. ÖRK und Mitgliedskirchen werden ermutigt, Studien über wirtschaftliche Gewalt durchzuführen und auf diesem Gebiet als Fürsprecher aufzutreten.

Plenarsitzung zu Europa

15. Der Ausschuss befasste sich mit der Plenarsitzung zu Europa, die unter dem Thema "Versöhnung, Wahrheit und Gerechtigkeit" stand, und empfiehlt folgende Themen für die weitere Beratung durch den ÖRK und in den Kirchen:
(i) die Herausforderungen der Säkularisierung und des Konsumdenken, das Streben nach tieferer Spiritualität und damit auch die Frage nach dem Ort der Kirche in der Gesellschaft und den Beziehungen zwischen Kirche und Staat;
(ii) Identitätsprobleme im Zusammenhang mit u.a. Verschiedenheit, Rassismus, nationaler Souveränität und den negativen Erfahrungen von ausländischen Arbeitskräften und entwurzelten Menschen;
(iii) die Kluft zwischen Arm und Reich in Europa und das Verhältnis Europas zur übrigen Welt;
(iv) die Bedeutung von Buße und Vergebung als Voraussetzung für Versöhnung; dies impliziert u.a.

a) Klärung des Unterschieds zwischen ausgleichender und heilender Gerechtigkeit;
b) die Auseinandersetzung der Kirchen, mit ihrem geschichtlichen Erbe (beispielsweise mit dem Kolonialismus, mit religiöser Diskriminierung und Intoleranz in der Vergangenheit und mit dem Entstehen extremistischer und totalitärer Regime aus christlichen Kulturen), wenn sie den Herausforderungen von Gegenwart und Zukunft gerecht werden wollen.


16. Der Ausschuss empfiehlt, dass für die Arbeit zu diesen Themen der Austausch von Erfahrungen, Modellen und Erkenntnissen aus Versöhnungsprozessen nutzbar gemacht wird. Ein solcher Dialog kann allen Beteiligten, Opfern und Tätern, Würde und Menschlichkeit zurückgeben.

Regionale Plenarsitzungen

17. Der Ausschuss bekräftigt die Bedeutung regionaler Plenarsitzungen für die Bereitstellung kontextbezogener Informationen und zur Hervorhebung von Fragen, die weit über die betreffende Region hinaus von Bedeutung sind. Er empfiehlt dem Zentralausschuss, für seine nächste Tagung Pläne für eine Plenarsitzung über Asien vorzubereiten, wobei
(i) sorgfältiger auf die Verbindungen zwischen den dargestellten Problemen und den Interessen der übrigen Regionen geachtet werden sollte;
(ii) Mittel und Wege gefunden werden sollten, wie an den aufgeworfenen Fragen weitergearbeitet werden kann;
(iii) im Verlauf der regionalen Plenarsitzungen und bei den Vorkehrungen dafür mehr Raum für das Gespräch und für Interaktionen vorgesehen werden sollte, insbesondere für die Darlegung von Meinungen und Erkenntnissen aus anderen Regionen;
(iv) zusätzlich zu der Plenarveranstaltung auch ein Papier mit Hintergrundinformationen und Analysen vorbereitet werden sollte (wie bei dem Afrikaplenum auf der Zentralausschusstagung 1999 in Genf).

Klimawandel

18. Diese Angelegenheit wurde dem Ausschuss vom Exekutivausschuss überwiesen. Der Ausschuss würdigte die 12 Jahre lange Arbeit des ÖRK zu den Problemen des Klimawandels und das wachsende Engagement der Mitgliedskirchen in diesem Bereich; er begrüßt die Arbeit zum Klimawandel als wichtiges Element des umfassenderen Schwerpunktthemas, Ökologie und Theologie, das im Rahmen des Studienprogramms "Ökumenische Erde" behandelt wird, und empfiehlt dem Zentralausschuss:
(i) seine Enttäuschung über das Scheitern der zwischenstaatlichen Verhandlungen vom 13. - 25. November 2000 in Den Haag (unter UN-Schirmherrschaft) auszusprechen, bei denen keine Vereinbarung über die Umsetzung des Klima-Protokolls von Kyoto erzielt werden konnte, und zur Fortsetzung der Verhandlungen im Mai 2001 und, falls erforderlich, darüber hinaus zu ermutigen, ohne die eine wirksame Einigung über eine Lösung der Probleme des Klimawandels nicht erzielt werden kann;
(ii) die Auffassung des ÖRK zu bekräftigen, dass Industrieländer eine höhere moralische Verantwortung für den beschleunigten Klimawandel tragen und deshalb eine führende Rolle bei der Umsetzung der Ergebnisse in konkrete Maßnahmen übernehmen müssen, um die Ursachen zu verringern:
(iii) zu bekräftigen, dass die Regierungen bei Wiederaufnahme der Verhandlungen "wieder die Optionen in den Mittelpunkt der Verhandlungen stellen, die die Kriterien ökologische Effizienz, Gerechtigkeit, Verantwortung und wirtschaftliche Effizienz erfüllen, wobei Emmissionssenkungsstrategien in den Ländern mit hoher Pro-Kopf-Verschmutzung Priorität haben sollten (aus der Erklärung des ÖRK zum Klimagipfel in Den Haag, November 2000). Der Verhandlungsschwerpunkt hat sich in jüngster Zeit wegbewegt von Maßnahmen zum Schutz der Umwelt und der bedrohten Völker und zielt stärker darauf ab, zusammen mit dem umfangreicheren Prozess der Globalisierung neue wirtschaftliche Möglichkeiten zu eröffnen;
(iv) die Mitgliedskirchen des ÖRK, insbesondere in den Industrieländern, neue Initiativen zu ergreifen, um ihre Regierungen zu veranlassen, Verhandlungspositionen zu vertreten, die die Emissionen in den Industrieländern erheblich verringern würden. Der Zentralausschuss des ÖRK würdigt die Bemühungen von Mitgliedskirchen, die im Vorfeld der 6. Tagung der Konferenz der Vertragsstaaten der UN-Klimarahmenkonvention (COP6) den Dialog mit ihren Regierungen gesucht haben, und hofft, dass diese Aktivitäten noch verstärkt werden können;
(v) den Mitgliedskirchen Initiativen für einen sorgfältigeren Umgang mit den Ressourcen in ihren Gemeinden und privaten Haushalten zu empfehlen und dazu zu ermutigen;
(vi) den ÖRK zu ermutigen, seine Arbeit zum Klimawandel fortzusetzen und dabei weiterhin die zwischenstaatlichen Verhandlungen zu beobachten, regionale Aktivitäten in Entwicklungsländern zu unterstützen, Verbindungen zu der übrigen Arbeit im Bereich der wirtschaftlichen Globalisierung herzustellen und Netzwerke mit den Organisationen von Ureinwohnern zu knüpfen, die sich aktiv für Probleme des Klimawandels und für Artenvielfalt einsetzen.

Kirchen helfen gemeinsam (ACT)

19. ACT ist ein wirksames Instrument der Kirchen für die Erfüllung des diakonischen Auftrags, zu dem Kirchen und Christen nach dem Evangelium berufen sind. ACT ist integrierender Bestandteil der ökumenischen Strukturen und ihrer Organisationen und gehört zu ihrem Leben. ACT ist Ausdruck der Verpflichtung der Kirchen und der ökumenischen Bewegung zur Diakonie.

20. Der Ausschuss würdigt die Arbeit des ACT-Koordinierungsbüros, seines Leiters Thor-Arne Prois und seiner Kollegen und Kolleginnen in Genf und vor Ort. Die Nothilfemaßnahmen von ACT sind umfangreicher und die ökumenischen Beziehungen und Partnerschaften stärker geworden. Wir weisen besonders auf die regionalen Konsultationen hin, die von dem ACT-Koordinator in den letzten Monaten einberufen worden sind, und unterstützen die anhaltenden Konsultationsprozesse. Mit großer Befriedigung stellen wir fest, dass das ACT-Bündnis, das 1995 geschlossen worden ist, so verantwortungsvoll und wirksam diakonisch tätig ist.

21. Der Ausschuss empfiehlt dem Zentralausschuss, angesichts der Überprüfung und Veränderung der Leitungs- und Verwaltungsstrukturen von ACT, die Einvernehmen mit den Trägerorganisationen - dem Lutherischen Weltbund und dem ÖRK durchgeführt werden (siehe Bericht der leitenden Amtsträger/innen nach der letzten Tagung des Exekutivausschusses), die Arbeit von ACT zu bekräftigen und zu unterstützen.

Rassismus: Memorandum

22. Der Ausschuss erörterte das folgende Memorandum, das von einer gemeinsamen Sitzung der afrikanischen und asiatischen Zentralausschussmitglieder eingereicht worden war.

(i) Im Anschluss an das Europa-Plenum haben die afrikanischen und asiatischen Zentralausschussmitglieder, die sich durch die Mac-Charles-Jones-Vereinigung von Afrikanern und Afrikanern in der Diaspora (MAC-AAD) ermutigt fühlten, in einer gemeinsamen Sitzung, in der sie über ihre Erfahrungen mit Rassismus sprachen, die folgende Stellungnahme ausgearbeitet.

(ii) Als die EU 1997 das Jahr gegen den Rassismus ausrief, sagte der damalige EU-Ratsvorsitzende, der niederländische Premierminister Wim Kok: "Rassismus ist das größte Einzelproblem, mit dem Europa heute konfrontiert ist". Der ÖRK ist einer der Hauptakteure im Kampf gegen den Rassismus. Grundlage seines Kampfes gegen das Übel des Rassismus ist seine feste theologische Überzeugung, dass alle Menschen vor dem Angesicht Gottes mit der gleichen Würde und den gleichen Rechten ausgestattet sind. Diese Überzeugung gründet darin, dass jeder Mensch nach dem Bilde Gottes geschaffen ist und dass Gott, indem er unser Menschsein in Christus annahm, das menschliche Leben geheiligt hat. Rassismus ist somit eine Verletzung der zentralen biblischen Botschaft. Aus dieser Überzeugung heraus rief der ÖRK, das Programm zur Bekämpfung des Rassismus ins Leben, und diese Überzeugung ist die Grundlage des Lebens der Kirche als Gemeinschaft.

(iii) Die bürokratischen Strukturen des heutigen Europa unterwerfen Einwanderer und Asylsuchende strengen Kontrollen. Sie werden von der Politik der "Festung Europa" als Problem für die innere Sicherheit betrachtet. Selbst für Reisende und Besucher wird die Einreise nach Europa erschwert. Sie werden belästigt, gedemütigt und als potenzielle Flüchtlinge behandelt. Wir begrüßen die ÖRK-Studie über kirchliche Initiativen zur Überwindung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und rassistischer Gewalt in Europa. Es ist ermutigend festzustellen, dass die Kirchen in Europa aktiv für die unter so vielen Mühen ausgearbeiteten humanitären Gesetze eingetreten sind, die Asylsuchende und Flüchtlinge schützen und absichern sollen. Wir fühlen uns auch ermutigt durch die entschiedene Solidarität, die die Menschen in Norwegen kürzlich bei den Protesten gegen den Mord an dem schwarzen Jugendlichen Benjamin Harmonsen zum Ausdruck gebracht haben.

(iv) Es ist jedoch höchst bedauerlich, dass die Regierungen Europas damit begonnen haben, gerade die Gesetze abzuschaffen, die den Verfolgten Zuflucht bieten sollen. Es ist eine traurige Realität, dass heute Afrikaner, Afrikaner aus der Diaspora sowie Asiaten auf europäischen Flughäfen selbst dann, wenn sie über gültige Reisedokumente verfügen, diskriminiert, verhört und schlecht behandelt werden. Für kirchliche Mitarbeiter/innen aus Asien und Afrika wird es immer schwieriger, für Reisen und Tagungen in Europa ein Visum zu bekommen. Von Rechtsradikalen provozierte ausländerfeindliche Übergriffe nehmen in allen Teilen Europas zu, und Asiaten, Afrikaner und Afrikaner aus der Diaspora müssen immer mehr um ihre Sicherheit fürchten. Einige Mitglieder des ÖRK-Zentralausschusses sind während ihrer Anreise in dieser Weise behandelt worden.

(v) Im September 2001 nehmen der ÖRK und seine Mitgliedskirchen an der in Südafrika stattfindenden UN-Weltkonferenz gegen Rassismus, Rassendiskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und damit zusammenhängende Intoleranz teil. Wir danken dem ÖRK für sein anhaltendes Engagement in diesen wichtigen Fragen. Mit der DOV-Initiative sind wir alle gefordert, Widerstand zu leisten gegen ungleiche Behandlung, Diskriminierung, Ungerechtigkeit und Brutalität. Heute müssen wir angesichts des Rassismus unserer Beschämung, Empörung und Sorge Ausdruck geben. Laßt uns klar und eindeutig auf den Rassismus reagieren. Wir rufen die Kirchen auf, ihre Bemühungen um die Förderung der Rassengerechtigkeit in ihrem jeweiligen Umfeld zu verstärken.

(vi) Wir rufen den ÖRK auf, seinen Kampf gegen Rassismus und rassistische Gewalt zu intensivieren und auf der nächsten Tagung des Zentralausschusses eine Plenarveranstaltung zu diesem Thema vorzusehen.

23. Der Ausschuss ist sich bewusst, dass Menschen aus vielen anderen Teilen der Welt den im Memorandum angesprochenen diskriminierenden Praktiken ausgesetzt sind, und er empfiehlt, dass der Zentralausschuss diese Anliegen bei der Planung der nächsten Zentralausschusstagung berücksichtigt, damit die Ausschussmitglieder sachdienlich über die Erfahrungen bei der UN-Weltkonferenz über Rassismus und Rassendiskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und damit zusammenhängende Intoleranz nachdenken können.