Religiöse Pluralität - begrußt oder gefürchtetAuf dem Weg zu einer echten Gemeinschaft von Frauen und Männern / Menschliche SexualitätGlauben im Cyberspace / Menschen mit Behindrungen

1. Mission: heilende und versöhnende Gemeinschaften

In einer von Globalisierung, Gewalt, ideologischer Polarisierung, Zersplitterung und Ausgrenzung geprägten Zeit stellt sich die Frage: Welche Bedeutung hat die christliche Mission? Dieses ökumenische Gespräch soll Gelegenheit bieten, über die Botschaft des Evangeliums sowie Methoden der Mission in einem solchen Kontext nachzudenken.

Paulus spricht von der neuen Schöpfung, die uns in Christus angekündigt und vom Heiligen Geist ermöglicht wird. Paulus schreibt: "Denn Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung. So sind wir nun Botschafter an Christi Statt, denn Gott ermahnt durch uns; so bitten wir nun an Christi Statt: Lasst euch versöhnen mit Gott!" (2 Kor 5,19-20) Diese "neue Schöpfung" erkennen wir, durch Gottes verwandelnde Gnade, als das Ziel der Mission Gottes.

Versöhnung als Wiederherstellung rechter Beziehungen zu Gott in Christus ist die Quelle der Versöhnung mit der eigenen Person, mit den Mitmenschen und mit der ganzen Schöpfung. Als Christinnen und Christen sind wir berufen, diese Gabe anzunehmen und zu feiern und als Kirche in der Kraft des Heiligen Geistes in Formen der Mission und Verkündigung aktiv zu werden, die Relevanz für die Menschen haben und auf Christi Vision der Fülle des Lebens für alle verweisen.

Als Botschafter dieser Nachricht und Partner in Gottes Mission sind wir als Kirche berufen, uns Einzelnen, Familien, Gemeinwesen, Kirchen und Nationen zuzuwenden und Zeugnis von der Macht des Heiligen Geistes zu geben, der die Welt als lebendiges Zeichen der neuen Schöpfung Gottes verwandelt. Wir sind berufen, inmitten von Krankheit und Leid, Konflikten und Spannungen, Krisen und Not Heilung und Versöhnung zu wirken. Dieser Anruf gilt uns aber auch inmitten der Suche nach Sinn und Gemeinschaft, wo "private" Formen der Spiritualität oder Religiosität große Anziehungskraft haben und Kirchen Geistliche und Mitglieder verlieren.

Der Weg zu Versöhnung und Heilung ist kein bequemer Weg. Er verlangt von uns, zuzuhören, die Wahrheit zu sagen, Buße zu tun, Vergebung zu üben und uns Christus und seiner Gerechtigkeit von Herzen zuzuwenden. Dazu gehört physische, geistige, seelische und geistliche Heilung, Heilung inmitten von Auseinandersetzungen um soziale, wirtschaftliche und ökologische Gerechtigkeit. Dazu gehört die Versöhnung von Gemeinschaften und Kirchen, in denen Konflikte herrschen. Dazu gehört die Begleitung von Gemeinden, die sich um Erneuerung bemühen. Dazu gehört es, das Evangelium der verwandelnden Gnade zu verkündigen und zu bezeugen, wo Menschen verzweifelt nach geistlicher Sinngebung verlangen. All dies geschieht in der Spannung des kommenden Gottesreiches, das "schon jetzt" da und "noch nicht" gekommen ist, in der Gewissheit, dass nur Gott wahre Heilung schenkt.

Innerhalb unserer vielen Traditionen bietet sich uns ein reicher Schatz an Erfahrung, persönlichen Zeugnissen und Gaben, der unser gemeinsames Zeugnis vom auferstandenen Herrn stärkt. Dazu gehören Heilung durch Gebet, asketisches Leben und Charismen, Sakramente und Liturgien, ärtzliche und geistliche Dienste, Arbeit an Gesellschaft und Systemstrukturen - alle getragen von der Gegenwart des Heiligen Geistes.

Dieses ökumenische Gespräch soll Raum geben für die theologische Reflexion und den Austausch über die heilende und versöhnende Mission der Kirche.

In der ersten Arbeitssitzung wollen wir uns mit den vielfältigen Kontexten auseinander setzen, in denen wir leben und das Evangelium bezeugen. Ein Vortrag wird sich mit der Förderung heilender und versöhnender Gemeinschaften befassen.

In der zweiten Arbeitssitzung tauschen wir uns aus über unsere positiven und negativen Erfahrungen im Blick auf den Heilungs- und Versöhnungsdienst in seinem Verhältnis zur Mission der Kirche und der Berufung, das Evangelium zu verkündigen.

In der dritten Arbeitssitzung soll es um Möglichkeiten gehen, wie wir, eine Gemeinschaft von Kirchen und Familie mit vielen Traditionen, als Partner Gottes zusammenarbeiten können, die Anteil haben an Gottes heilender und versöhnender Mission, und wie diese Zusammenarbeit zur Kraftquelle werden kann für unser Streben nach sichtbarer Einheit.

 

2. Religiöse Pluralität - begrüßt oder gefürchtet

Wir leben in einer Welt, in der Kräfte kultureller Homogenisierung am Werk sind. Gleichzeitig wird bei Gemeinschaften wie Einzelpersonen immer wieder das Streben nach Abgrenzung deutlich. In manchen Fällen werden religiöse und kulturelle Unterschiede verwischt oder gar ignoriert, in anderen werden sie überbetont.

Die religiöse Pluralität stellt Christinnen und Christen in vielen Teilen der Welt vor eine ganz neue Herausforderung. Die einen begrüßen sie, die anderen fürchten ihre Auswirkungen. Vielfach gibt es Bemühungen um bessere Beziehungen zu Mitmenschen anderer Religionen. Und doch sind die Beziehungen zwischen Religionsgemeinschaften vielerorts geprägt von Misstrauen oder Feindseligkeit.

"Gastfrei zu sein vergesst nicht; denn dadurch haben einige ohne ihr Wissen Engel beherbergt" (Hebr 13,2). Wir Christen stehen im Spannungsfeld zwischen der Offenheit, Gott in anderen Menschen zu begegnen, und unserer Überzeugung, dass "kein andrer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben [ist], durch den wir sollen selig werden" (Apg 4,12).

Angesichts der jüngsten Entwicklungen in den interreligiösen Beziehungen und in deren Wahrnehmung stellen Christen im theologischen wie im generellen Sinne neu die Frage nach der religiösen Pluralität und nach deren Konsequenzen für Leben und Zeugnis der Kirche.

Viele konkrete Initiativen zu interreligiösem Dialog und interreligiöser Zusammenarbeit werden ergriffen. Solche Initiativen und die ihnen zugrunde liegende theologische Reflexion bieten Anlass zu einem ökumenischen Gespräch. Kirchen in ihren so vielfältigen Situationen können von den Erfahrungen anderer Kirchen lernen und miteinander klären, wozu sie gemeinsam berufen sind.

Welche Ängste stehen unserem Engagement im interreligiösen Dialog und in der interreligiösen Zusammenarbeit im Wege? Warum begegnen andere uns vielleicht mit Angst? Wie können wir in den Dialog eintreten und gleichzeitig unserem Glauben treu sein und den Glauben der anderen respektieren? Welche Herausforderungen ergeben sich, wenn Dialog und Zusammenarbeit begonnen haben? Wie begegnen wir diesen Fragen als Gemeinschaft von Kirchen?

In der ersten Arbeitssitzung soll der aktuelle Stand der interreligiösen Beziehungen auf der globalen Ebene sowie deren Einfluss auf und Beeinflussung durch die Realitäten vor Ort in vielen Teilen der Welt analysiert werden.

In der zweiten Arbeitssitzung wollen wir uns darüber austauschen, wie Christinnen und Christen in ihrem jeweiligen örtlichen Umfeld mit dem sich wandelnden interreligiösen Kontext umgehen, in dem sie leben. Hier soll Gelegenheit geboten werden, aus der Vielfalt theologischer Einsichten und konkreter Erfahrungen zu lernen.

In der dritten Arbeitssitzung soll es um die gemeinsame Verantwortung von Kirchen gehen, die in Gemeinschaft miteinander stehen, sowie um die verschiedenen Möglichkeiten einer vermehrten Zusammenarbeit zwischen diesen Kirchen im Bereich des interreligiösen Dialogs und der interreligiösen Zusammenarbeit.

 

3. Auf dem Weg zu einer echten Gemeinschaft von Frauen und Männern: Wie sind Frauen Kirche? Was können wir daraus lernen?

Die biblische Schöpfungsgeschichte bietet eine theologische Basis für die Kirche als Gemeinschaft von Frauen und Männern - die gemeinsam als Ebenbild Gottes geschaffen sind (Gen 1,26). Hier geht es nicht um eine abstrakte Sichtweise des Menschseins, vielmehr werden Würde und Wert aller Menschen betont, seien sie weiblich oder männlich.

Auf diese Vision des 1. Buches Mose hinzuleben ist nicht leicht. In unserem Streben nach einer authentischen Verwirklichung des Modells einer Kirche, die Gemeinschaft von Frauen und Männern ist und in der beide am kirchlichen und gesellschaftlichen Leben teilhaben, stoßen wir auf zahlreiche theologische Anfragen.

Zu diesen Anfragen gehört die Vertiefung unseres Verständnisses von der Autorität der Heiligen Schrift angesichts unserer eigenen Erfahrungen, von Missions- und Dienstmodellen, die den Auftrag der gesamten Gemeinschaft stärken, und von der Sprache und den Symbolen, die im Gottesdienst verwendet werden, und ihrer Wirkung auf die Beziehung zwischen Frauen und Männern.

Frauen standen und stehen treu zur Kirche, schaut man jedoch auf ihre Einbindung in Leitungsaufgaben sowie ihre theologischen und geistlichen Beiträge, so wird diese Treue häufig gering geachtet oder beiseite geschoben. In vielen Fällen artikuliert die Kirche dieses Unrecht nur zögerlich, was letztlich ihrem Dienst schädlich ist.

Frauen haben ihren ganz eigenen Beitrag dazu, was es bedeutet, "Kirche zu sein" - geprägt von einer Sicht der Kirche als Gemeinschaft von Frauen und Männern, einer Vision des partnerschaftlichen Strebens nach Gerechtigkeit. Diese Sicht der Kirche gibt Solidarität, Rechenschaft, Mitgefühl und einer Haltung der Fürsorglichkeit fundamentale Bedeutung. Partizipation und eine echte Weitergabe von Macht stehen im Mittelpunkt. Eine solche Sicht ist grundlegend geprägt von der Bereitschaft, die Geschichte, Theologie und Lehre der Kirche kritisch zu hinterfragen und neu zu durchdenken.

Durch ihre Treue zur ökumenischen Bewegung und ihre Beiträge zum Streben nach sichtbarer Einheit machen Frauen die Vielfalt ihrer Erfahrungen, die Eigenständigkeit ihrer ekklesialen Traditionen und ihr ganzheitliches Engagement für den Auftrag der Kirche deutlich. Sie zeigen damit immer wieder, dass unterschiedliche Sichtweisen von Befreiung und Freiheit respektiert und zur Geltung gebracht werden müssen.

Jede Generation ökumenisch engagierter Frauen hat ihre Perspektive zur Erneuerung der Kirche für ihre jeweilige Zeit artikuliert. Unser ökumenisches Gespräch, das Frauen und Männern offen steht, soll Raum bieten, um die Erfahrungen von Frauen zu Gehör zu bringen und darüber nachzudenken, was es bedeutet, eine Gemeinschaft von Frauen und Männern zu sein, die die Welt verwandelt.

In der ersten Arbeitssitzung soll der aktuelle Kontext diskutiert werden. Dazu findet ein Austausch über Erfahrungen, Hoffnungen und Schwierigkeiten im Zusammenhang mit weiblichen Perspektiven für die Kirche statt. In dieser Arbeitssitzung ist zudem eine theologische Reflexion über die Kirche als Gemeinschaft von Frauen und Männern geplant.

Die zweite Arbeitssitzung behandelt die Frage, wie Kirchen ihre Solidarität mit Frauen umsetzen. Hier haben Kirchen die Gelegenheit, von ihrem Engagement für eine gestärkte Rolle von Frauen in der Kirche und für eine Bewältigung der Schwierigkeiten zu berichten, mit denen Frauen bei ihrem Dienst in der Kirche konfrontiert sind.

In der dritten Arbeitssitzung sollen frauenspezifische Perspektiven und Ansätze zum Kirchesein thematisiert werden. In dieser Arbeitssitzung werden einige der Herausforderungen aufgegriffen, mit denen die ökumenische Bewegung konfrontiert ist, wenn sie die Kirchen ermutigt, zu authentischen Gemeinschaften von Frauen und Männern zu werden, die an der Verwandlung von Kirche und Welt teilhaben.

 

4. Menschliche Sexualität: Leib und Seele, Welt und Kirche

Vor kurzem tagte eine Gruppe von 150 kirchenleitenden Verantwortlichen aus aller Welt und diskutierte unter anderem das Thema menschliche Sexualität. Die Kirchen, die auf dieser Tagung des ÖRK-Zentralausschusses vertreten waren, hatten zwar unterschiedliche Ansätze und Haltungen zu Fragen der menschlichen Sexualität und zum Umgang mit ihnen. Die Diskussion zeichnete sich jedoch durch Verständnis und Sensibilität füreinander aus. Es ist möglich, dass die Kirchen miteinander über menschliche Sexualität sprechen!

Der sich rasch verändernde kulturelle und religiöse Kontext, in dem wir leben, stellt die Kirchen vor die Herausforderung, sich mit bestimmten Themen, Anliegen und Ängsten im Zusammenhang mit dem häufig heiklen und mitunter mit Tabus besetzten Thema der menschlichen Sexualität auseinanderzusetzen. In den meisten Kontexten ist aus einem Generationen andauernden Dialog zwischen Evangelium und Kultur ein bestimmtes Verständnis von "Moral" erwachsen, das mitbestimmt, wie Kirchen mit Fragen der menschlichen Sexualität umgehen.

Die Verbreitung von sexuell übertragenen Krankheiten wie HIV/AIDS stellt jedoch viele Kirchen vor die Aufgabe, menschliche Sexualität offen und in einer Art und Weise zu diskutieren, die Leben bewahrt und Heilung ermöglicht. Geistliche in aller Welt müssen täglich auf unterschiedliche persönliche Anliegen wie Keuschheit (vorehelicher Geschlechtsverkehr), Ehe, Familienleben, Treue (außereheliche Beziehungen), Verhütung und Abtreibung eingehen. Vielerorts hat die Kirche im Umgang mit Fragen wie der Sexualität von Menschen mit Behinderungen, der weiblichen Sexualität und dem Wunsch schwuler und lesbischer Gläubiger, sich ins Leben der Kirche einzubringen, theologischen Mut bewiesen.

Kirchen weltweit empfinden die Thematik zuweilen als befreiend, zuweilen als bedrohlich - jede wiederum mit ihrem je eigenen Ansatz. Eine Reihe von Kirchen haben, nach eingehender, vom Gebet begleiteter Prüfung und Beratung, Erklärungen zur menschlichen Sexualität abgegeben. Trotzdem verursachen die biblischen, theologischen und ethischen Probleme, die diese Fragen aufwerfen, zuweilen schmerzliche Spaltungen in der Kirche - lokal, national und selbst auf der Ebene der Konfessionen.

Könnte man sagen, dass wir angesichts der Herausforderungen, vor die uns die Frage der menschlichen Sexualität heute stellt, einen Moment des kairos erreicht haben? Wünschen manche Kirchen diese Fragen miteinander als Gemeinschaft von Kirchen auf der Suche nach sichtbarer Einheit zu diskutieren?

Gehen wir ein Risiko ein, wenn wir uns auf eine ausschließlich säkulare Antwort auf die vorliegenden Fragen stützen, die keinen Bezug zum Glauben hat? Wie kann die Kirche den Dialog mit vielen ihrer jüngeren Mitglieder weiterführen, die der Meinung sind, ihre Kirchen hätten nicht angemessen auf die Vielfalt der Herausforderungen reagiert, mit denen wir konfrontiert sind?

Dieses ökumenische Gespräch wird die Erfahrungen von Kirchen, Familien und Einzelpersonen in aller Welt erschließen mit dem Ziel, der ökumenischen Bewegung Fortschritte im Umgang mit den theologischen und ethischen Fragen zu ermöglichen, die im Zusammenhang mit der menschlichen Sexualität bestehen.

In der ersten Arbeitssitzung soll die gegenwärtige Situation diskutiert werden. Dazu findet ein Austausch über Erfahrungen, Hoffnungen und Schwierigkeiten statt. Einige der Fragen, die sich der Kirche stellen, sollen thematisiert werden. Weiterhin ist eine theologische Reflexion über menschliche Sexualität als "Gabe Gottes" vorgesehen.

Die zweite Arbeitssitzung wird sich mit Erklärungen, Positionen und Erfahrungen der Kirchen befassen. Hier besteht die Gelegenheit, davon zu berichten, wie einzelne Kirchen, Konfessionsfamilien, Teile der ökumenischen Bewegung und Theologinnen und Theologen mit Fragen der menschlichen Sexualität umgehen.

In der dritten Arbeitssitzung soll diskutiert werden, in welche Richtung eine Gemeinschaft von Kirchen, die nach Einheit streben, sich bewegen könnte, wenn sie sich mit den betreffenden Fragen auseinandersetzt, auf die Anliegen ihrer Mitglieder hört und sich um eine von Gnade und Verwandlung geprägte theologische Antwort bemüht.

 

5. Glauben im Cyberspace: Christliche Gemeinschaften und neue Technologien

Neue Informations- und Kommunikationstechnologien wie Mobiltelefonie, E-Mail, Internet, Computernetzwerke und Digitalfernsehen beeinflussen weltweit immer breitere Bereiche des Lebens. Wie Menschen ihre Umwelt erfahren und über sie denken, wie sie miteinander umgehen und kommunizieren, wie sie Situationen bewerten und Entscheidungen treffen - all diese Bereiche stehen unter dem Einfluss der zunehmenden Präsenz neuer Technologien und des immensen Volumens von Informationen, Nachrichten, Werten und kulturellen Mustern, die sie vermitteln. Gleichzeitig erleben wir das Paradox, dass die "digitale Kluft", egal ob wirtschaftlicher, kultureller oder altersbedingter Art, mitbestimmt, wer Zugang zur Technologie hat und wer nicht.

Auch Christen können sich diesem Einfluss in ihrem täglichen Leben nicht entziehen, genauso wenig wie die Kirche als Gemeinschaft der Gläubigen. Technologie hat das Potential, die Art und Weise, wie wir in den Gemeinden vor Ort Gottesdienst feiern, tiefgreifend zu verändern. Aktivitäten und Erfahrungsebenen, die traditionell innerhalb einer konkreten Gemeinde angesiedelt waren - Gebetskreise, geistliche Begleitung, biblische Unterweisung, theologische Gespräche und selbst der Gottesdienst - sind über die neuen Kommunikationstechnologien zugänglich und dieser Zugang wird auch genutzt. Die "virtuellen Gemeinden", mit je unterschiedlichem Umfang, Ursprung, unterschiedlichen Zielen und unterschiedlicher Zusammensetzung, wachsen.

Die Staatskirchen reagieren unterschiedlich schnell und mit variierendem Enthusiasmus auf dieses Phänomen. Als Leib Christi, in dem alle Glieder miteinander in Beziehung stehen (1 Kor 12,26), kann die Kirche neue Formen der Verbindung, die Zeit und Raum transzendieren, nicht unbeachtet lassen. Im Bewusstsein der Gabe des Heiligen Geistes, Kommunikationsbarrieren um der Weitergabe des Evangeliums willen zu durchbrechen (Apg 2,6), achtet die Kirche auf neu in Erscheinung tretende Sprachen und Kommunikationsmittel. Da sie jedoch gleichzeitig berufen ist, sich der Welt nicht einfach anzupassen, sondern sie aktiv zu verwandeln (Röm 12,2), bleibt ihre Haltung kritisch.

Bei der Beschäftigung mit den Auswirkungen neuer Technologien auf das christliche Leben sind die Kirchen mit einer Reihe von Fragen konfrontiert: Wie sind die Auswirkungen auf die institutionelle Dimension der Kirche? Wie können solche Technologien die kirchliche Verwaltung stärken und das gottesdienstliche Leben bereichern? Wie können sie das ökumenische Engagement stärken? Welchen Platz hat die "virtuelle Gemeinde" im traditionellen Verständnis vom Kirchesein? Welche Dimensionen des christlichen Erfahrungsschatzes können durch neue Informations- und Kommunikationstechnologien vermittelt ("virtualisiert") werden?

In der ersten Arbeitssitzung sollen globale Trends dargestellt und es soll diskutiert werden, wie neue Technologien sich auf Einzelpersonen, Familien, Gemeinwesen und Gesellschaften auswirken, wie sie Lebensstile, Werte und Überzeugungen beeinflussen. Die Teilnehmenden werden Elemente aus ihrem jeweiligen Kontext einbringen - über die "digitale Kluft" hinweg.

In der zweiten Arbeitssitzung wird die Möglichkeit bestehen, sich darüber auszutauschen, wie die Kirchen in ihrem jeweiligen Kontext auf diese Phänomene reagieren. Die Teilnehmenden können aus ihren unterschiedlichen Erfahrungen und theologischen Ansätzen voneinander lernen.

In der dritten Arbeitssitzung wird die Diskussion die ökumenischen Prioritäten in diesem Bereich sondieren. Wie werden die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien die Entwicklung der Ökumene beeinflussen und welche Chancen können sie für eine Gemeinschaft von Kirchen auf der Suche nach Einheit bieten? Wo tragen wir gemeinsam Verantwortung, und welche Möglichkeiten bestehen zur Zusammenarbeit?

 

6. Menschen mit Behinderungen: Eine Kirche aller

Die Kirche Christi ist ein Ort, an dem alle willkommen sind, ungeachtet unserer Unterschiede. Paulus legt in 1. Korinther 12,12-26 dar, dass die Kirche der Leib Christi ist und aus vielen Teilen besteht. Sie kann nicht vollständig sein, wenn sie irgendeinen Teil ausschließt. Alle Teile haben ihre je eigene Funktion und selbst diejenigen, die schwach erscheinen, sind unersetzlich. Menschen mit Behinderungen erleben dies so jedoch nicht, sie erfahren Ausgrenzung im Blick auf Spiritualität, Zusammenleben, Ökonomie und Struktur der Kirche. Ihre Ausgrenzung wird deutlich an unterschiedlichen Barrieren, am schlimmsten wohl jenen der Vorurteile. Es gibt ganz wenige Menschen mit Behinderungen, die in irgendeiner Weise in der ökumenischen Bewegung mitwirken.

Ihre Ausgrenzung aus dem Leben der Kirche lässt sich vielleicht am ehesten im Blick auf das Spannungsverhältnis zwischen Starken und Schwachen erhellen. Sie werden als scheinbar schwache Gruppe betrachtet, die nichts beizutragen hat und deshalb eine Last ist. Werden ihre Bedürfnisse berücksichtigt, geschieht dies eher aus einer Haltung der Mildtätigkeit und Unverbindlichkeit heraus und nicht so sehr aus der Überzeugung, dass dies selbstverständlich zum Wesen der Kirche dazugehört. Soll die Kirche wahrhaft der Leib sein, der sie ist, muss sie den Paradigmenwechsel vollziehen von der Mildtätigkeit im Zusammenhang mit Behinderungen hin zu einer inklusiveren und emanzipativeren Theologie. Zeichen dieser Wandlung lassen sich in der Arbeit einiger Kirchen finden.

Eine Reihe der grundlegenden Themen, die die vorläufige ökumenische Erklärung "Kirche aller" behandelt, bieten Hinweise darauf, wie Menschen mit Behinderungen in der Kirche integriert sein sollten. Drei Themen sind hier von besonderem Interesse: Hermeneutik, imago dei und Heilung. Unser Gespräch wird sich mit diesen Punkten und ihrer Relevanz für die Öffnung von Türen zur vollen Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Leben der Kirche befassen.

In der ersten Arbeitssitzung soll persönlichen Erfahrungen von Menschen mit Behinderungen in ihrem Verhältnis zur Kirche Raum gegeben werden. Hier wird diskutiert, was es für Menschen mit Behinderungen bedeutet, Teil der Kirche aller zu sein, und was die neutestamentlichen Heilungserzählungen in der modernen Kirche mitteilen.

In der zweiten Arbeitssitzung werden Kirchen, die im Blick auf die Einbeziehung und aktive Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in Gottesdienst und Strukturen Fortschritte erzielt haben, Gelegenheit haben, von ihren Erfahrungen zu berichten.

In der dritten Arbeitssitzung sollen Möglichkeiten diskutiert werden, wie Türen in die Zukunft geöffnet werden können - durch Maßnahmen wie die Entfernung von Barrieren materieller, sozialer und persönlicher Art sowie durch die Reflexion über die ökumenischen Herausforderungen, die vor uns liegen.