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© Peter Kenny/ÖRK

© Peter Kenny/ÖRK

Von Peter Kenny*

Als die Holländische Reformierte Kirche (NGK) in Südafrika im Juni nach 55 Jahren Abwesenheit wieder in den Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) aufgenommen wurde, freuten sich andere Kirchen des Landes über die „Rückkehr des verlorenen Sohnes“.

Die Kirche war im 17. Jahrhundert von europäischen Siedlern im südlichen Afrika gegründet worden und galt einst als „Gebetsverein der Nationalen Partei“, da ihre Lehre eng mit der rassistischen Apartheids-Ideologie verknüpft war und ihr Einfluss bis ins nationale Kabinett reichte.

Aus diesem Grund war die Kirche über weite Teile des späten 20. Jahrhunderts isoliert und von der weltweiten christlichen Gemeinschaft ausgeschlossen.

Über die Wiederaufnahme der NGK in den ÖRK durch den Zentralausschuss auf seiner Tagung im Juni in Trondheim (Norwegen) gab es in der Kirche und in der weltweiten christlichen Gemeinschaft große Freude.

Die Vorsitzende des Zentralausschusses, Dr. Agnes Abuom, anglikanische Christin aus Kenia, sagte anlässlich dieser Entscheidung: „Es ist uns eine besondere Freude, die Holländische Reformierte Kirche – einst Gründungsmitglied des ÖRK – eine Generation nach dem Ende der Apartheid wieder in unsere Gemeinschaft aufzunehmen, da sie jetzt zu einer Partnerin geworden ist, mit der wir eine gerechte Zukunft für alle Menschen aufbauen können.“

Überwältigende Reaktionen

Dr. Gustav Claassen, Generalsekretär der Nederduitse Gereformeerde Kerk, wie sie in der Landessprache heißt, sagte: „Wir waren von den Reaktionen in Trondheim und zuhause in Südafrika wirklich überwältigt. Unsere afrikanischen Brüder nahmen sich die Zeit und freuten sich mit uns in Trondheim“, erklärte Claassen. Sie „verliehen ihrer Freude auf eine Weise Ausdruck, die einen demütig werden lässt.“

Der Südafrikanische Kirchenrat (SACC) entsandte seinen Generalsekretär Bischof Malusi Mpumlwana als Delegierten nach Trondheim, wo die NGK wieder in den ÖRK aufgenommen wurde. Am 12. August gab es eine Willkommensfeier.

„Das war etwas sehr Besonderes, und gepredigt wurde über die Geschichte in Lukas 15 – den verlorenen Sohn“, erzählte Claassens.

Die Kap- und Transvaal-Synoden der NGK waren seit Gründung des ÖRK im Jahr 1948 Mitglied. Aber als am 21. März 1960 69 Schwarze in Sharpeville von der Polizei erschossen wurden, löste dies eine Suche nach der Seele der Kirche aus.

Sie führte innerhalb des ÖRK zur Diskussion über die Ungerechtigkeit in Südafrika, und so wurde vom 14. bis 17. Dezember 1960 in Cottesloe, Johannesburg, ein Gipfel der Mitgliedskirchen abgehalten. Alle acht südafrikanischen Mitgliedskirchen des ÖRK, darunter auch die NGK mit ihren Provinzen Transvaal und Kap, waren anwesend.

Die Konsultation lehnte die Apartheid ab und sprach sich für die Einbeziehung von Schwarzen im politischen System Südafrikas aus. In dem vorherrschenden Klima war das für die weißen reformierten Kirchen inakzeptabel.

Am 1. Januar 1961 erklärte der südafrikanische Premierminister Hendrik Verwoerd, der damals entscheidend beim Übergang von gewohnheitsmäßiger rassistischer Apartheid zu deren Ideologisierung mitwirkte, die in Cottesloe anwesenden Kirchenleiter hätten nicht die offizielle Position der Kirche vertreten.

Austritt aus dem ÖRK

Eine nach der anderen lehnten die Synoden der NGK die Beschlüsse von Cottesloe ab. 1961 entschlossen sich die Transvaal- und Kapsynoden, den ÖRK zu verlassen.

Dies führte dazu, dass der Vorsitzende der südlichen Transvaal-Synode, Pastor Beyers Naudé, die theologische Rechtfertigung der Apartheid anzweifelte.

1963 verließ Naudé die NGK und gründete das Christliche Institut, um den ökumenischen Dialog zu fördern. Später schloss er sich der schwarzen Kirche (Holländische Reformierte Kirche) an und wurde wie Tutu Generalsekretär des SACC, der dem ÖRK angehört. Wegen seiner Ansichten handelte er sich Verbote ein, und sein Christliches Institut wurde 1977 von der Regierung geschlossen.

John Allen, Chefredakteur von AllAfrica.com, erzählte, dass es nach Nelson Mandelas Freilassung aus dem Gefängnis im Februar 1990 im November eine Konsultation in Rustenburg gegeben hatte, auf der SACC-Mitglieder und andere Kirchen anwesend waren, darunter die römisch-katholische Kirche, die NGK und Pfingstkirchen.

„Es war eine ungewohnte Bandbreite von südafrikanischen Kirchen zusammengekommen. Auf dieser Tagung traute sich Professor Willie Jonker von der Universität Stellenbosch, Theologieprofessor und ordinierter Pastor,  im Namen der weißen NGK deren Rolle in der Apartheid zu bekennen und dafür um Entschuldigung zu bitten. Als Erzbischof von Kapstadt antwortete Desmond Tutu und sagte, sein Glaube lasse ihm keine andere Wahl, als das Schuldbekenntnis anzunehmen“, erzählte Allen.

Als die NGK ihre Rolle in der Apartheid und Tutus Reaktion auf Jonkers Entschuldigung aufzuarbeiten versuchte, sei die Beziehung zwischen ihnen gewachsen, sagte Allen, der einige Jahre lang als Pressesprecher für Tutu gearbeitet hatte.

Das war der Anfang des Weges der NGK zurück in die weltweite christliche Gemeinschaft.

2009 feierten Protestanten weltweit den 500. Geburtstag des Reformators Johannes Calvin. Aus diesem Anlass erinnerten sich die Südafrikaner daran, dass Anhänger des protestantischen Reformators zu den eifrigsten Unterstützern der Apartheid gehört hatten, und schließlich auch zu deren lautstärksten Gegnern wurden.

Die calvinistischen Wurzeln in Südafrika reichen bis 1685 zurück, als französische Hugenotten in die Niederlande flohen, weil das Edikt von Nantes, das zuvor Religionsfreiheit garantiert hatte, widerrufen worden war.

Als Flüchtlinge nahmen sie ein Angebot der Niederländischen Ostindienkompanie an und gingen zunächst für fünf Jahre nach Südafrika, um weiße Siedler zu unterstützen, die 1652 ans Kap gekommen waren, um Schiffe auf ihrem Weg nach Indonesien mit Obst und Gemüse zu versorgen.

Französische Hugenotten in Südafrika

Die Immigranten erhielten Land und Gerätschaften und waren zumeist recht gebildet. Viele der ersten Ankömmlinge am Kap waren Ärzte, Lehrer, Pastoren oder Rechtsanwälte .

Wegen der Religionskriege in Europa kehrten keine der ersten Hugenotten nach den fünf Jahren von der Südspitze Afrikas zurück.

Aber so progressiv die Hugenotten in ihren Anfangsjahren am Kap auch waren, so wichen sie doch vom europäischen Denken ab; einige Historiker sind sogar der Ansicht, dass die gesamte Ära der Aufklärung an ihnen vorbeigezogen sei.

Die reformierten Kirchen, die von den afrikanischen Nachfahren der Hugenotten gegründet worden waren, hielten ihre Gottesdienste am Ende des 19. Jahrhunderts nach Hautfarbe getrennt ab: Schwarze, Farbige (Mischlinge), Inder und Weiße. So entstanden im Laufe des 20. Jahrhundert vier separate Kirchen, die jede eine eigene Struktur hatte.

1948 wurde unter der Leitung von Daniel Malan, einem ehemaligen NGK-Pastor, der zum Premierminister aufgestiegen war, die traditionelle rassistische Praxis zur Apartheids-Ideologie der herrschenden Partei erhoben und in die Gesetze des Landes aufgenommen. Danach waren gemischte Gottesdienste nicht mehr möglich.

Max du Preez, Autor und politischer Kommentator sowie ehemaliger Herausgeber einer Anti-Apartheid-Zeitung auf Afrikaans, erklärte: „Die Holländische Reformierte Kirche ist jetzt nur noch eine schwache Kraft; auch wenn das ein weltweites Phänomen für Kirchen ist, ist es hier weit dramatischer, weil die Kirche früher so mächtig war.“ Allerdings gebe es intern erhebliche Spaltungen.

„Auch wenn sie keinen Rassismus mehr propagieren, sind die reformierten Kirchen immer noch weitgehend nach Rassen getrennt. Außerdem gibt es Spaltungen in Bezug auf die Rechte von Homosexuellen.“

Du Preez sagte: „Ich bin in der NGK aufgewachsen; meine Brüder sind Pastoren, und meine Schwester war mit einem NGK-Pastor verheiratet. Jetzt dienen sie einer Gemeinschaft, die sich als Minderheit marginalisiert fühlt, und deswegen gibt es viel zu tun. Die Rückkehr in den ÖRK war keine große Sache, aber es gab keinen Widerstand dagegen.“

Heute hat die NGK zehn Synoden: neun davon in Südafrika und eine im angrenzenden Namibia. Es gibt 1.158 Gemeinden, die in 144 Presbyterien organisiert sind. Insgesamt hat die Kirche 1.074.765 Mitglieder und 1.602 Pastoren.

Pieter Swanepoel, Pastor in Edenvale bei Johannesburg, erzählte, nur etwa ein Drittel seiner Gemeinde, der über Tausend Erwachsene und etwa 250 Kinder angehören, käme regelmäßig zum Gottesdienst.

„Trotz allgemein rückläufiger Zahlen in der Kirche gibt es einen Zustrom jüngerer Mitglieder mit Familie in unserer Gemeinde. Insgesamt verliert die Kirche Mitglieder, aber wir sind hier gewachsen.

Wir sind auf einem neuen Weg. Die Kirche hat jetzt ein neues Bewusstsein davon, wie sie Menschen dienen muss, die einen größeren Bedarf an Beziehungen zueinander sehen.

Jeder ist in unserer Kirche willkommen, Rasse ist kein Thema mehr, aber unsere Sprache ist Afrikaans“, erklärte Swanepoel.

Artikel der New York Times über Willie Jonkers Bitte um Vergebung (in englischer Sprache)

Beyers Naudés Weigerung, Verwoerd nach Cottesloe Folge zu leisten (in englischer Sprache)

*Peter Kenny ist Journalist in Genf. Er schreibt über Kirchen, Religion, die Vereinten Nationen und den Welthandel, beispielsweise für Ecumenicalnews.com, den Johannesburg Star, die Pretoria News, die Cape Times und IP Watch.