"Plötzlich geschah ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Wind ..." (Apg. 2,2 - rev. Luth. 1984)

Mit einfachen Worten beschreibt die Heilige Schrift das erste Pfingstfest im Leben der Kirche Christi: "Den Aposteln zeigte er sich nach seinem Leiden durch viele Beweise als der Lebendige und liess sich sehen unter ihnen vierzig Tage lang und redete mit ihnen vom Reich Gottes. Und als er mit ihnen zusammen war, befahl er ihnen, Jerusalem nicht zu verlassen, sondern zu warten auf die Verheissung des Vaters..." (Apg. 1,3, 4).

Die Apostel waren mit Maria, der Mutter Jesu, und den anderen Frauen stets beieinander einmütig im Gebet (vgl. Apg. 1, 14). Der Weg von Himmelfahrt bis Pfingsten ist eine Zeit voll Erwartung, Hoffnung und Glauben. In ihr spiegelt sich das Geheimnis, das der menschlichen Seele zuteil wird, die das Kommen des Trösters, die Ausgiessung des heiligen Geistes, den grossen Tag ihres persönlichen Pfingstfestes erwartet, an dem der Mensch durch die Kirche und in der Kirche plötzlich zu "Gottes Tempel" und zum "Tempel des heiligen Geistes" (1. Kor. 3,16; 6,19) wird. Auch die Welt wird durch die Kirche und in der Kirche plötzlich zu dem Ort, an dem das Reich Gottes "wie im Himmel so auf Erden" (Mt. 6,10) offenbar wird.

Der Paraklet, der Tröster, ist in der Kirche und in der Welt gegenwärtig. Die Gegenwart des Trösters war seitdem wie schon bei den Jüngern beim ersten Pfingstfest immer wieder zu erfahren, als "plötzlich ein Brausen vom Himmel geschah wie von einem gewaltigen Wind und das ganze Haus erfüllte, in dem sie sassen" (Apg. 2, 1-4).

"Ein Brausen wie von einem gewaltigen Wind"! Natürlich war dieses Brausen nicht in dem negativen Sinne "gewaltig", wie die Gewalt uns normalerweise begegnet. In der Regel tritt Gewalt in höchst zerstörerischer Form unerwartet in unser Leben: als Brutalität, Terror, Unterdrückung der Gewissen, als physische Gewalt gegen kleine Kinder, kriminelle Leidenschaft, Krieg, Grausamkeit, Verstoss gegen ethische und soziale Werte, als Demütigung von Menschen, menschlicher Würde und der Individualität von Menschen und wie immer das Böse sonst noch zutage tritt.

"Ein Brausen wie von einem gewaltigen Wind"! In diesen Jahren, in denen der Ökumenische Rat der Kirchen die Dekade zur Überwindung von Gewalt begleitet, denken wir gründlicher darüber nach und verstehen wir besser, was die Gegenwart des heiligen Geistes für unser Leben bedeutet. Das "gewaltige Wehen" des kommenden heiligen Geistes unterscheidet sich grundlegend von der brutal hereinbrechenden aggressiven Gewalt und dem Terror in der Welt. Das plötzliche Brausen des Geistes trifft die Zeugen mit all seiner Gewalt, doch es richtet sich nicht gegen das Gewissen und gegen das Leben von Menschen. Es ist gewaltig, aber es ist weder brutal noch zerstörerisch. Es ist gewaltig, aber es achtet das Ebenbild Gottes in den Menschen. Es ist in dem Sinne gewaltig, dass es Gottes Geist in sich birgt, einen Geist, der begeistert und uns erhebt, Freude und Mut verbreitet, immer neue Wege eröffnet und Kräfte freisetzt. Der heilige Geist weckt Hoffnung, Glauben und Liebe: vor allem Liebe zu Gott und zu unseren Mitmenschen, eine Liebe, die "die Furcht austreibt" (1. Joh. 4,18).

Nur das gewaltige Brausen des Trösters kann den brutalen Einbruch des Bösen und der Gewalt in unser Leben und in die Welt überwinden.

"Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!" (Offb. 2,7. 11. 29; 3,6. 13. 22)

Die Präsidenten des ÖRK:

Dr. Agnes Abuom, Nairobi, Kenia

Pfarrerin Kathryn K. Bannister, Bison, Kansas, Vereinigte Staaten von Amerika

Bischof Jabez L. Bryce, Suva, Fidschi

S. E. Dr. Chrysostomos, Metropolit des Heiligen Stuhls von Ephesus, Istanbul, Türkei

S. H. Ignatius Zakka I. Iwas, Damaskus, Syrien

Dr. Kang Moon-Kyu, Seoul, Korea

Bischof Federico J. Pagura, Rosario, Argentinien

Bischof Eberhardt Renz, Stuttgart, Deutschland

Die Tradition der Pfingstbotschaft der Präsidenten und Präsidentinnen des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) besteht seit 1950. Die Botschaft wird gemeinsam von den acht ÖRK-Präsidentinnen und Präsidenten verfasst, die die verschiedenen Regionen der Mitgliedschaft des Rates vertreten. Den ersten Entwurf der diesjährigen Botschaft legte S.E. Metropolit von Ephesus Chrisostomos vor. Er schrieb: "In dieser Welt der Gewalt gedenken wir des Heiligen Geistes, der über die Apostel kam wie ein 'ein gewaltiger Wind' und wie von Feuer, der aber der Welt Frieden gebracht hat."