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Pastorin Lattorff und Abrào Gomes. Foto: Claus Grue/ÖRK

Pastorin Lattorff und Abrào Gomes. Foto: Claus Grue/ÖRK

Dreimal in der Woche werden Flüchtlinge von der Luthergemeinde im Herzen der deutschen Stadt Halle eingeladen, Gemeindemitglieder zu besuchen. Manchmal kochen sie, manchmal treffen sie sich einfach nur, um sich miteinander zu unterhalten und sich kennenzulernen. Diese Initiative ist der  kreative Versuch, einige der 400 Flüchtlinge zu integrieren, die im Einzugsgebiet der Gemeinde untergebracht wurden.

„Alle sind willkommen. Als christliche Gemeinschaft ist es für uns wichtig, auf Flüchtlinge zuzugehen ungeachtet ihres Glaubens. Viele von ihnen kommen aus Syrien und sind Muslims“, sagt Mechthild Lattorff, Pastorin in der Gemeinde.

Eine Herausforderung für sie und ihre Kolleginnen und Kollegen besteht darin, mehr Freiwillige zu einem Hilfeengagement zu bewegen.

„Wir brauchen mehr Freiwillige, die Begegnungen zwischen den lokalen Gemeinschaften und den Flüchtlingen organisieren“, erklärt Lattorff.

Während es sich bei den Gemeindemitgliedern meistens um ältere Menschen handelt, sind viele der Flüchtlinge jung.

Der achtzehn Jahre alte Abrào Gomes kam vor einem Jahr aus Guinea Bissau nach Halle, nachdem er auf seiner Flucht eine Odyssee durch mehrere Länder hinter sich hatte. Ohne Familie und Verwandte auf sich allein gestellt, ist er froh, dass er jetzt ein neues zu Hause in der Luthergemeinde gefunden hat und dort als Teilzeitkraft in der Flüchtlingsbetreuung tätig sein kann.

Die lutherische Gemeinde arbeitet seit einem Jahr ökumenisch mit der katholischen Kirche in Halle zusammen.

„Die Flüchtlinge kommen nicht wegen unseres christlichen Glaubens zu uns, sondern weil sie Hilfe suchen und unsere Gemeinschaft kennenlernen wollen. Das christliche Kreuz steht natürlich immer im Mittelpunkt unserer Arbeit, aber unser Ziel ist es, zu helfen und nicht, anderen Menschen unsere Religion aufzuzwingen“, sagt Lattorff.

Seit Ende der kommunistischen Herrschaft im Jahre 1989 hat sich die Sozialarbeit in dramatischer Weise verändert. Auf der einen Seite waren die Kirchen in der DDR eine verschworene Gemeinschaft, die oft im Verborgenen tätig war und Menschen sozial unterstützte, die – illegal – das Land verlassen wollten.

„Die Kirchen waren ein natürlicher Anlaufpunkt der Widerstandsbewegung, und unter diesen schwierigen Bedingungen entstanden enge Bindungen zwischen den Kirchen“, erklärt Lattorff.

Auf der anderen Seite ist in einer freien Gesellschaft alles möglich, und heute gibt es für die Kirchen mehr Gelegenheiten für soziales Engagement als früher.

„Das hat die engen Bande zwischen den Kirchen ein wenig gelockert und zu mehr Wettbewerb geführt“, sagt Lattorff.

In einer Region, in der 40 Jahre lang ein aufgezwungener Marxismus die einzige „Religion“ war, hat sich die christlicher Bevölkerung heute aus freiem Willen für das Christentum entschieden und  gehört diesem Glauben nicht schon von Geburt an, wie dies in vielen anderen Ländern der Fall ist.

„Damit unterscheidet sich die Situation hier von der vieler Gemeinden im Ausland“, sagt Lattorff.

Migrations- und Flüchtlingsarbeit des ÖRK