Eine Neugestaltung der weltweiten ökumenischen Bewegung fordert der Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK), Konrad Raiser. Vor dem Zentralausschuss in Genf sagte Raiser am Montag, 26. August, die Ökumene befinde sich in einer "komplexen Situation".

Einerseits sei für die meisten Kirchen ökumenisches Engagement selbstverständlich geworden, so Raiser, andererseits beobachte er weltweit ein "Anwachsen des Denominationalismus und der Tendenz, partikulare Identitäten zu betonen". Für die meisten Kirchen scheine Ökumene nicht mehr die Qualität einer Vision zu haben, die Menschen dazu bewege, überkommene Traditionen zu verlassen und sich auf Schritte der Erneuerung einzulassen.

Nach den Worten Raisers ist der ÖRK noch immer die umfassendste und repräsentativste ökumenische Organisation auf Weltebene. Der Rat und seine Partner befänden sich jedoch in zunehmenden Wettbewerb um öffentliche Aufmerksamkeit und finanzielle Unterstützung mit kirchennahen und anderen Hilfsorganisationen.

Der "mehrdimensionale Ansatz" traditioneller ökumenischer Organisationen habe es in einem Klima schwer, das von der Erwartung sofortiger Aktionen und sichtbarer Ergebnisse geprägt ist, sagte Raiser.

Eindringlich warnte Raiser ökumenische Organisationen davor, dem Beispiel von Nichtregierungsorganisationen zu folgen und ihr programmatisches Profil im Sinne politischer oder betriebswirtschaftlicher Logik zu verstärken. Herausforderungen der Globalisierung sollten sie vielmehr veranlassen, ihren "kirchlichen und geistlichen Charakter" in den Vordergrund zu stellen.

Ausführlich setzte sich Raiser mit den Folgen der Globalisierung und der Suche nach dem Selbstverständnis der Kirchen auseinander.

Die wirtschaftliche Globalisierung habe Hunderte von Millionen Menschen in extremer Weise verwundbar gemacht, indem sie ihnen die Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse versagt, stellte der ÖRK-Generalsekretär fest. Der "brutale Schock" des 11. September habe deutlich gemacht, dass auch die Gewinner der Globalisierung verwundbar sind. Die für kurze Zeit entstandene Hoffnung auf neue Formen der Kooperation und Solidarität sei jedoch vergeblich gewesen. Stattdessen würden sich Regierungen der hochindustrialisierten Länder auf Sicherheitsmassnahmen zur Abwehr des Terrorismus konzentrieren. Die Tatsache, dass die Globalisierung Gewinner und Verlierer erhöhter Verwundbarkeit aussetzt, habe die konfliktträchtige Dynamik noch verschärft, meinte Raiser.

Der Generalsekretär sprach sich für Bündnisse der Kirchen mit Befürwortern einer "Globalisierung der Solidarität" aus, verwies aber darauf, dass die ökumenische Vision der möglichen Transformation von Globalisierung weiter reiche: "Sie gründet im Sein der Kirche selbst als alternativer Gemeinschaft und geht daher auch über anspruchsvollste Aktionsprogramme und Strategien hinaus".