Die Bedeutung des interreligiösen Dialogs im Zeitalter der Globalisierung hat der Vorsitzende des Zentralausschusses des Ökumenischen Rates (ÖRK), Seine Heiligkeit Aram I., Katholikos von Kilikien, zum Auftakt der Plenarsitzung am Dienstag, 26. August unterstrichen. Diesem Dialog und der Zusammenarbeit mit anderen Religionen müsse in der künftigen Arbeit des Rates hohe Priorität eingeräumt werden, sagte der orthodoxe Kirchenführer aus dem Libanon.

Das Oberhaupt der Armenischen Apostolischen Kirche verwies auf den starken Einfluss von Religion auf die Weltpolitik und ihre oft ambivalente Rolle in Konfliktlagen. In einigen Ländern werde sie für politische Zwecke missbraucht, in anderen für die Rechtfertigung irreführender Ideologien und die Verfestigung ungerechter Strukturen eingesetzt. Das Wiedererstarken der Religiosität drücke sich manchmal in blindem Konservatismus und militantem Fundamentalismus aus, die weitreichende Gefahren mit sich brächten. "Ein engstirniges und ausgrenzendes Verständnis von Religion gewinnt in mehr oder weniger allen Religionen an Boden", stellte Aram I. fest.

In einer Welt wachsender Hoffnungslosigkeit sei es dringend erforderlich, dass die Religionen in einen Prozess kritischer Selbsteinschätzung und Selbsterneuerung eintreten, um solche negativen Aspekte der Religionen zu überwinden. Sie sollten gemeinsame Werte neu definieren und eine klare Vision für eine gerechte und zukunftsfähige Welt anbieten. "Jede Religion, die Macht anstrebt, verliert ihre Daseinsberechtigung", so Aram I. Religion sei Dienerin und Mittlerin von Gottes universalem Plan.

Die Globalisierung führe immer mehr Menschen ungeachtet ihrer Religion, Rasse oder Kultur zusammen, betonte der seit über 25 Jahren im ÖRK engagierte Theologe. "Im globalen Dorf müssen wir zusammenleben". Jahrhunderte lang hätten Religionen ihre eigenen Gemeinschaften, ihr eigenes geistliches Ethos, ihre eigenen theologischen, ethischen und kirchenrechtlichen Mauern aufgebaut, um sich selbst zu schützen. Heute nehme eine neue "Kultur der Koexistenz" Gestalt an. Menschen verschiedener Religionen würden sich zunehmend ihrer gemeinsamen Verwundbarkeit und ihres gemeinsamen Schicksals vor Gott bewusst.

Angesichts zunehmender Tendenzen zu Ausgrenzung, Unterdrückung und Polarisierung in pluralistischen Gesellschaften forderte Aram I. religöse Gemeinschaften auf, "Brücken des Vertrauens" zu bauen und in Frieden und Harmonie mit dem Gefühl gegenseitiger Verantwortung und Rechenschaftspflicht zusammenzuleben. Als Reaktion auf globale Veränderungen hätten die christlichen Kirchen zwar begonnen, mehr Zeit und Energie in den Dialog mit anderen Religionen zu investieren. Vielfach seien sie jedoch nicht darauf vorbereitet, sich den konkreten Auswirkungen religiöser Pluralität in ihren Gemeinden zu stellen.

Aram I. beschrieb das Zusammenleben mit Menschen anderer Religionen als "riskanten, aber hoffnungsvollen Prozess". Die Angst vor Religionsvermischung und Verrat des Evangeliums werde Christen dabei immer begleiten. Dennoch sollten sie "ernsthaft und mutig" in den Dialog mit anderen Religionen eintreten und ihren Glauben bezeugen. "Wir haben unterschiedliche Überzeugungen und erheben in unterschiedlicher Weise Anspruch auf die Wahrheit", sagte er. "Doch unsere gemeinsamen Ursprünge, unser gemeinsames Menschsein und unser Ziel treiben uns an, uns gemeinsam auf den Weg in Gottes Zukunft zu begeben".

Die deutschen Dokumente des Zentralausschusses 2003 sind abrufbar unter:

www2.wcc-coe.org/ccdocuments2003.nsf/Standard-ge

Gebührenfreies Photo von H.H. Aram I abrufbar unter:

wcc-coe.org/wcc/press_corner/pc_arambio-g.html