Christinnen und Christen in aller Welt, die diese Woche die Gebetswoche für die Einheit der Christen begehen, setzen sich mit den Erfahrungen auseinander, die die indischen Kirchen mit der Uneinigkeit angesichts der Kastendiskriminierung machen. Die diesjährige Gebetswoche stellt den Aspekt der Gerechtigkeit in den Mittelpunkt, die integraler Bestandteil der Einheit ist, nach der wir streben.

Erarbeitet hat die Materialen für die diesjährige Gebetswoche mit dem Thema „Mit Gott gehen“ (Micha 6,6-8) eine ökumenische Gruppe, die sich auf Einladung der indischen Christlichen Studierendenbewegung (Student Christian Movement, SCM) formierte.

Die Gebetswoche wird traditionell vom 18. bis 25. Januar (nördl. Hemisphäre) bzw. zu Pfingsten (südl. Hemisphäre) begangen.

Seit 1968 werden die liturgischen und biblischen Materialen für die jährliche Gebetswoche gemeinsam vorgelegt von der Kommission des ÖRK für Glauben und Kirchenverfassung sowie, seitens der römisch-katholischen Kirche, vom Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen.

„Die Suche nach der sichtbaren Einheit der Christen kann nicht getrennt werden vom Abbau des Kastenwesens und vom Aufbau der Beteiligung der Ärmsten an der Einheit“, betont die Einführung zur Gebetswoche für die Einheit der Christen 2013.

Dazu erläutert der unlängst berufene Programmreferent des ÖRK für interreligiösen Dialog und interreligiöse Zusammenarbeit, P. Dr. Peniel Rajkumar (Indien): „Das Thema der diesjährigen Gebetswoche für die Einheit der Christen stellt uns die Aufgabe, die christliche Nachfolge neu zu betrachten im Sinne eines ‚Sich-prägen-Lassens von Gottes Gegenwart‘ bei den unerwartetsten Akteurinnen, Akteuren und in den überraschendsten Aspekten menschlichen Lebens und im Sinne des Folgeleistens, wo Gott selbst wirkt.“

Vor seinem Wechsel zum ÖRK war Rajkumar an der Erarbeitung der Textentwürfe für die Gebetswoche beteiligt.

„Das Thema hat das Potenzial, Kirchen in der Feier der christlichen Einheit zusammenzuführen, dabei die Idee dieser Einheit zu erweitern um den Gedanken der radikalen Gastfreundschaft Gottes und sie entsprechend im Blickwinkel von Recht, Güte, Treue und Ehrfurcht neu zu definieren in Richtung prophetischer Solidarität“, so Rajkumar weiter.

„Das Thema ‚Mit Gott gehen‘ stellt uns als Christinnen und Christen wie als Kirchen weltweit vor die Herausforderung, dem ‚Gott des Lebens‘ nachzufolgen auf den Wegen der Gerechtigkeit und des Friedens, indem wir uns auf die Sache des Rechts verpflichten, Güte und Treue weitergeben und Ehrfurcht einüben.“

Weltweite Veranstaltungen zur Gebetswoche

Prediger beim Gottesdienst anlässlich der Gebetswoche für die Einheit der Christen am 21. Januar im Ökumenischen Zentrum in Genf (Schweiz) war Kanonikus John Gibaut, Direktor des ÖRK für Glauben und Kirchenverfassung.

Durch die Gebetswochenmaterialien machten junge Christen und Christinnen der indischen SCM deutlich, „wo der Mangel an christlicher Einheit im heutigen Indien am meisten schmerzt – beim Kastenwesen. Die Diskriminierung durch Kasten ist ein Thema, das die indischen Kirchen wie auch Kirchenmitglieder untereinander trennt.“

Die indischen Studierenden hätten, so Gibaut, „die Kastendiskriminierung nicht nur als theologische, sondern auch als ekklesiologische Frage“ benannt. „Denn innerhalb der christlichen Gemeinde widerspricht sie der biblischen Vision vom Kirchesein und dem Einssein miteinander in Christus, wie es Paulus den Galatern verkündet.“

Der Kirchenrat der britischen Inseln, „Churches Together in Britain and Ireland“ (CTBI), betont bei der diesjährigen Gebetswoche im Blick auf das Thema, die Kirchen seien aufgerufen, „wo in der Welt gerechtes Handeln erforderlich ist, ihrer Pflicht nachzukommen.“ Gemeinsam mit der Hilfsorganisation Christian Aid wird der Bezug hergestellt zum weltweiten Engagement dieser Organisation gegen Armut und für Gerechtigkeit.

Den Text aus dem Buch Micha, aus dem das Thema der Gebetswoche für die Einheit der Christen entnommen ist, hat auch die Europäische Evangelische Allianz in den Materialien für die eigene Gebetswoche (13.-20. Januar) aufgegriffen, die unter dem Motto „Unterwegs mit Gott“ steht. Zahlreiche evangelikale Kirchen in Europa haben auf dieser Grundlage je eigene Bibelstellen ausgewählt und Betrachtungen, Gottesdienste und Gebete erarbeitet.

In manchen Ländern, etwa den Niederlanden, behandeln die Kirchen seit einigen Jahren beide Gebetswochen als thematische Einheit. So können Christinnen und Christen aus ganz unterschiedlichen Kirchen immer zu Jahresbeginn gemeinsam für die Einheit beten. Das diesjährige Thema stellt das in Ehrfurcht mit Gott Unterwegssein und unsere Antwort auf den Ruf zur Gerechtigkeit in den Mittelpunkt. Besonders begrüßt haben es Kirchen und Gläubige, die sich in der weltweiten Micha-Initiative engagieren.

Ein weiteres Beispiel sind die Veranstaltungen zur Gebetswoche in Südamerika, die das evangelische Jugendnetzwerk gemeinsam mit verschiedenen Kirchen vor Ort durchführt. Ein Festgottesdienst in der katholischen Kirche San Antonio de Padua in Lima etwa wird ausgerichtet von der peruanischen Bischofskonferenz, den Kirchenverbänden Concilio Nacional Evangélico del Perú und Unión de Iglesias Cristianas Evangélicas del Perú, der peruanischen Bibelgesellschaft, dem Christlichen Verein Junger Männer und anderen christlichen Organisationen. Der Gottesdienst wird sein Hauptaugenmerk auf die peruanische Jugend und ihre Anstrengungen für die christliche Einheit richten.

Die Kirchen in Jerusalem bieten im Verlauf der Gebetswoche ebenfalls verschiedene ökumenische Veranstaltungen an. Ein solcher Gottesdienst fand in St George the Martyr, der anglikanischen Kathedrale von Jerusalem, statt. Der Gottesdienst, dem der anglikanische Bischof Suheil Dawani vorstand, hatte das Thema „Mit Gott gehen – Miteinander im Gespräch sein“ und behandelte die Emmauserzählung in Lukas 24.

Weitere Informationen zur Gebetswoche für die Einheit der Christen

Kommission des ÖRK für Glauben und Kirchenverfassung

Päpstlicher Rat zur Förderung der Einheit der Christen

ÖRK-Mitgliedskirchen in Indien