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Zum Jahresauftakt empfing der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) am 13. Januar den namhaften deutschen Theologen Jürgen Moltmann einen Tag lang zu Vorträgen und Gesprächen im Ökumenischen Zentrum in Genf. Dabei ging Moltmann auch auf Fragen und Bemerkungen zu seinem letzten Buch „Der lebendige Gott und die Fülle des Lebens“ (Gütersloher Verlagshaus, 2014) ein, dessen englische Fassung im Dezember von WCC-Publications veröffentlicht wurde.

Aufgrund seiner langjährigen Erfahrung in interreligiösen Angelegenheiten auf lokaler, regionaler und internationaler Ebene betonte Moltmann, dass „es bei der ökumenischen Bewegung ebenso sehr um Erneuerung wie um Einheit geht“. Je mehr sich die Anhänger der verschiedenen Kirchen Jesus Christus nähern, desto mehr nähern sie sich einander, erklärte er.

Er räumte jedoch ein, dass „katholische Theologen in der Regel nach wie vor katholische Theologen zitieren, und protestantische Theologen ihresgleichen“.

„Obwohl wir dazu neigen, uns unserer eigenen Tradition näher zu fühlen als der Christenheit als Ganzes“, fuhr er fort, „sind heute Gläubige in vielen Teilen der Welt Hass und Verfolgung ausgesetzt“, und zwar nicht, weil sie Methodisten oder Reformierte sind, sondern „weil sie Christen sind“. Mit Bezug auf die Enzyklika Ut Unum Sint vom heiligen Papst Johannes Paul II. bekräftigte Moltmann, dass Märtyrer stets von der Einen Kirche Jesu Christi Zeugnis ablegen.

Moltmann warnte davor, den institutionellen Kirchen in ihrer gegenwärtigen Gestalt unser ultimatives Vertrauen zu schenken. „Vision und Hoffnung der ökumenischen Bewegung richten sich nicht auf die Kirche sondern auf das Reich Gottes. Wir müssen uns öffnen für die Überraschungen, die uns die Zukunft bringt“.

Er regte die Fantasie der Zuhörerschaft an, indem er die im konstantinischen Zeitalter kaiserlicher Herrschaft und Unterdrückung entstandenen westlichen traditionalistischen Kirchen den insbesondere in Asien, Afrika und Ozeanien aufstrebenden nicht-konstantinischen Kirchen gegenüberstellte. Diese „wie Unternehmen organisierte Minderheitengemeinschaften“ sind auf die Unterstützung des Heiligen Geistes angewiesen und eröffnen neue Formen der Spiritualität.

„Wir brauchen eine neue Spiritualität der Sinne“, erklärte Moltmann in seinem Plädoyer für eine Spiritualität, welche die Welt ernst nimmt und sich immer mehr als „Religion der Erde“ versteht. Er begrüßte das, was er als „ökologische Wende der Theologie“ bezeichnet.

„Politisch gesehen beflügelt eine Religion der Erde zu verstärktem Engagement für dieses Leben und diese Erde. Sie weiß den Wert des Körpers zu schätzen“, ergänzte er. „Sie ermutigt uns, den Todeskult zu bekämpfen“.

Jürgen Moltmanns Besuch im Ökumenischen Zentrum begann mit einem Seminar über den Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens, bei dem eine angeregte Diskussion mit Dr. Clare Amos (interreligiöse Beziehungen), Pastorin Dr. Nyambura Njoroge (HIV- und AIDS-Initiativen und Advocacy) und Pfarrer Dr. Odair Pedroso Mateus (Direktor der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung) stattfand. Moltmann leitete das Gebet während der Mittagsandacht in der Kapelle. Im Anschluss daran hielt er vor zahlreichen Zuhörerinnen und Zuhörern einen öffentlichen Vortrag über die Zukunft der Theologie. ÖRK-Generalsekretär Pastor Dr. Olav Fykse Tveit führte während den verschiedenen Teilen des Tagesprogramms des Vorsitz.

Als Jugendlicher war Moltmann ­– zunächst als Helfer – in die deutsche Wehrmacht eingezogen worden. Von 1945-48 studierte er in britischer Gefangenschaft evangelische Theologie noch bevor er an die Universität ging. Er gab Vorlesungen und lehrte an zahlreichen Universitäten und ist emeritierter Professor für systematische Theologie der Eberhard-Karls-Universität in Tübingen.

Videoaufnahme des Vortrags