Erhältlich in:
Image
Ökumenische Feier in Wittenberg © Marc Witzenbacher

Ökumenische Feier in Wittenberg © Marc Witzenbacher

Foto:

Von Marc Witzenbacher

Eine „Mauer der Schuld“ einzureißen: diese Symbolhandlung prägte den zentralen Gottesdienst der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) zur Gebetswoche für die Einheit der Christen, sowie die Feiern in anderen Teilen der Welt, welche die von der ACK vorbereitete Gottesdienstordnung verwendeten.

Der Fall der Mauer weckt in Deutschland viele Erinnerungen. Nicht nur an das Jahr 1989, in dem die Berliner Mauer eingerissen und die Wiedervereinigung Deutschlands möglich wurde. Eine Mauer in den Köpfen trennte auch über Jahrhunderte die Konfessionen.

Nach den Ereignissen im Jahr 1517 hatte sich die Landschaft in Deutschland verändert. Nun standen sich mehrere Konfessionen gegenüber, die zunehmend in schwere Konflikte und sogar kriegerische Auseinandersetzungen verwickelt wurden. Ein trauriger Höhepunkt war schließlich der Dreißigjährige Krieg, der unendliches Leid verursachte und zahllose Opfer forderte. Zwischen den Christen türmte sich eine Mauer der Schuld auf.

Christen kennen die Schmerzen der Spaltung

„Wir Christen haben ein geschichtlich und menschlich weitreichendes Wissen um das Grausame, Inhumane und Schmerzhafte von Mauern, Spaltungen, Ausgrenzungen und Unversöhntheiten – bis hinein in den innersten und intimsten Kern der Gesellschaft, der Ehen und Familien. Wir wissen, was Vorurteile, Hetze, Verfolgungen, was Angst und Abschottung, was falscher Stolz und einander herabsetzende Überheblichkeit bewirken. Wir haben, und es treibt uns heute die Schamröte ins Gesicht, auch eine blutige Geschichte hinter uns, die selbst vor dem Mittel des Krieges nicht gescheut hat und die Waffen gegen Brüder und Schwestern des gemeinsamen christlichen Glaubens richtete.“ Das sagte der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland, der römisch-katholische Bischof Karl-Heinz Wiesemann, in dem zentralen Gottesdienst in Wittenberg.

In seiner Predigt sprach er auch von neuen Mauern der Ausgrenzung, Abschottungen und Spaltung mitten in der Gesellschaft: „Wir erleben mitten in einem Europa, dem der Versöhnungsgedanke als tiefste Verpflichtung aus der Geschichte ins Herz geschrieben ist, das mächtige Wiedererwachen von Nationalismen, den propagierten Vorrang der Eigeninteressen und das neue Aufrichten von Grenzzäunen und sozialen Mauern.“

Er fügte hinzu: „Wir erleben mitten in einer global gewordenen Welt, die ihre Herausforderungen und Krisen nur gemeinsam bestehen kann, die Aushöhlung universaler Werte wie die unbedingte Geltung der Wahrheit als dem Fundament allen Vertrauens, die Notwendigkeit umfassender Gerechtigkeit als der Grundlage für dauerhaften Frieden, die ungeteilte Gültigkeit der Menschenwürde und Menschenrechte für alle, unabhängig von Herkunft, Religion, Geschlecht oder sozialem Status als Grundbedingung aller Humanität und Kultur.“

Kirchen in Deutschland rufen zu Versöhnung und Frieden auf

In diese Situation hinein hat die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland die Texte für die Gebetswoche für die Einheit der Christen vorbereitet. „Versöhnung – die Liebe Christi drängt uns“, so lautete das Motto, das bewusst das Jahr 2017 als eine Chance der Versöhnung begreift.  Vor dem Hintergrund der aktuellen globalen Entwicklungen wird erst richtig bewusst, was für ein Schatz die ökumenische Bewegung und die darin in den letzten Jahrzehnten erzielten Erfolge bedeuteten: „Wir können uns gemeinsam unter die versöhnende Kraft des Evangeliums stellen“, sagte Bischof Wiesemann in Wittenberg.

Die ACK erinnerte dabei nicht nur an das Leid, das sich die beiden großen Kirchen in Deutschland einander angetan haben, sondern gerade auch an das, was manche der kleineren Kirchen und Gemeinschaften an Ausgrenzung oder gar Verfolgung erlitten hatten.

Es gelte nun, 500 Jahre nach der großen abendländischen Kirchenspaltung, die Chancen zu nutzen, als Christen in einer schwierigen Situation der Menschheit Mut zur Versöhnung zu machen. „Dass ich als Vorsitzender der ACK Deutschland und katholischer Bischof an diesem symbolträchtigen Ort, in der Mutterkirche der Reformation, predigen darf und wir hier diesen Gottesdienst der Versöhnung und der Liebe, die uns zusammendrängt, miteinander feiern, ist ein starkes Zeichen dieses Neuen, das Gott uns geschenkt hat.“

Gebetswoche an zahlreichen Orten gefeiert

Regionale und lokale Arbeitsgemeinschaften Christlicher Kirchen luden in ganz Deutschland zu Gottesdiensten ein. Dafür hatten sie insgesamt mehr als 10.000 Exemplare der Gottesdiensthefte bestellt.

Bei einem Gottesdienst in München rief der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, dazu auf, „am Ziel der einen Kirche festzuhalten“. Man dürfe nicht „zu schnell zufrieden sein mit dem, was wir bereits erreicht haben“. Marx feierte den Gottesdienst in der evangelisch-lutherischen Kirche St. Matthäus zusammen mit Heinrich Bedford-Strohm, Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern und Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Sofian von Kronstadt (Rumänische Orthodoxe Kirche) sowie weiteren Vertretern der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Bayern.

Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm sagte in dem Gottesdienst in München, eine Kirche ohne ökumenische Erfahrungen sei heute nicht mehr vorstellbar.

Lesen Sie auch:

Gebete für die Einheit der Christen, zum Gedenken an die Reformation und zur Feier der Versöhnung (ÖRK-Pressemeldung vom 13. Januar 2017)

Weitere Informationen über die Gebetswoche für die Einheit der Christen

Gebetswoche 2017 Andachts - und Hintergrundmaterial

Gebetswoche für die Einheit der Christen auf Facebook

* Pastor Marc Witzenbacher ist Referent der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK), und dort für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zuständig.