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Kardinal Koch mit S.H. Dr. Anastasios von Tirana, Durres und ganz Albanien beim Global Christian Forum. © ÖRK/Marianne Ejdersten

Kardinal Koch mit S.H. Dr. Anastasios von Tirana, Durres und ganz Albanien beim Global Christian Forum. © ÖRK/Marianne Ejdersten

Von Marianne Ejdersten*

Kurt Koch, Kardinal der römisch-katholischen Kirche und Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, gewährte den ÖRK-Nachrichten, einem der Kommunikationsträger des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK) ein Interview. Das Gespräch fand in Tirana (Albanien) im Rahmen des Global Christian Forum statt, zu dem sich 150 hochrangige Kirchenverantwortliche sowie Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Kirchentraditionen aus über 60 Ländern versammelten, um einander zuzuhören, voneinander zu lernen und ihre Solidarität mit Kirchen und christlichen Menschen zu bekunden, die heute in der Welt verfolgt und diskriminiert werden.

Kardinal Koch erklärte: „Es ist für mich ein großes Privileg und eine Ehre, an dieser einmaligen Versammlung teilnehmen zu dürfen, welche die heutige Christenheit in der Welt auf eindrückliche Weise veranschaulicht und die universelle, über ‘denominationelle’ oder ‘konfessionelle’ Grenzen hinausgehende christliche Solidarität klar zum Ausdruck bringt.“

Offenbar hat die Migrantenkrise in Europe Sorgen ausgelöst, die sicher noch mehrere Jahre anhalten werden. Es kam aber auch zu einer Kluft zwischen jenen Kirchen, die eine Bedrohung ihrer Identität befürchten und jenen, die gastfreundlicher sind. Welche Entwicklung erwarten Sie für die Einheits-Agenda in einem Zeitalter, in dem immer mehr Vielfalt herrscht? Welche Hoffnungszeichen sehen Sie, Eminenz?

Kardinal Koch: „Die vielen Herausforderungen in der Welt sind für Christen und für alle Menschen die gleichen. Meiner Ansicht nach bringen uns diese Herausforderungen enger zusammen. Dabei denke ich im Moment vor allem an ethische Fragen wie die Flüchtlingskrise, Menschenhandel usw.

Es ist wichtig, dass die christlichen Kirchen mit einer gemeinsamen Stimme sprechen. Wenn wir nämlich zu den wichtigsten Fragen in unserer Gesellschaft keine gemeinsame Stimme haben, dann wird die christliche Stimme immer schwächer.

Zunächst brauchen wir mehr Solidarität unter den Christen. Wir müssen unsere Solidarität vertiefen. Dann können wir auch die Welt besser zu Solidarität aufrufen. Wir müssen unter uns mehr Solidarität zeigen und viel besser zusammenhalten.“

Die gemeinsame Arbeitsgruppe zwischen der römisch-katholischen Kirche und dem ÖRK hat vor kurzem ihr 50-jähriges Bestehen gefeiert. In seinem äußerst freundlichen Schreiben zu diesem Jubiläum forderte Papst Franziskus zu mehr praktischer Zusammenarbeit auf. Wie könnte sich diese gestalten? Wie können wir unsere Solidarität vertiefen?

„Der Ökumenische Rat der Kirchen und die katholische Kirche besitzen eine langjährige Tradition der Zusammenarbeit, die meiner Ansicht nach gut funktioniert. Ich denke, wir sollten diese Zusammenarbeit nicht nur fortsetzen, sondern auch vertiefen. Wir setzen uns gemeinsam für Gerechtigkeit und Frieden ein.

Diese große Versammlung hier in Tirana bietet die Gelegenheit, die persönlichen Bande der Einheit zwischen uns Konsultationsteilnehmenden sowie zwischen unseren Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften überall in der Welt zu stärken und zu vertiefen. Das ist der eine Teil, aber nicht der einzige Weg. Meiner Ansicht nach müssen wir die Solidarität vermehrt durch Dialog und praktische Zusammenarbeit auf bilateralem Wege vertiefen.“

Sowohl der Papst als auch der ÖRK haben eine Form der christlichen Einheit betont, die auf der Solidarität mit verfolgten Christen und Christinnen beruht. Sehen Sie Anzeichen für diese Form der Einheit, insbesondere im Nahen Osten?

„Wir wissen, dass 80% der weltweit aufgrund ihres Glaubens verfolgten Menschen Christen sind. Wir müssen der notleidenden Bevölkerung mehr Solidarität entgegenbringen. Diskriminierung, Verfolgung und Märtyrertum sind eine schmerzvolle Herausforderung, der sich alle Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften in der Welt heute stellen müssen, ganz gleich, wo sie sich befinden. Christinnen und Christen unterschiedlicher Traditionen werden lediglich aufgrund ihres Glaubens an Jesus Christus von Regierungen, organisierten Gruppen oder Einzelpersonen auf verschiedenste Arten und Weisen angefeindet. Sie werden aus ihren Dörfern und Städten vertrieben, Häuser und Eigentum werden beschlagnahmt, Gotteshäuser zerstört und Symbole ihrer christlichen Religionszugehörigkeit aus dem öffentlich sichtbaren Raum beseitigt.“

Wie geht die katholische Kirche auf verfolgte Christen zu und wie arbeitet sie mit ihnen zusammen?

„Auf mehrere Arten. Sie werden stets vom Heiligen Vater in seinen Gebeten und Ansprachen erwähnt. Schon vor dem Krieg in Syrien haben wir verfolgte Christen und Christinnen zu einem besonderen Gebetsgottesdienst auf dem Petersplatz eingeladen. In unseren Gebeten erwähnen wir alle leidenden Menschen und Kirchen“.

Kardinal Koch reiste letztes Jahr nach Jordanien, wo er die Menschen in den Flüchtlingslagern traf.

„Als wir mit den Menschen sprachen, sagten sie meistens, dass wir sie in unseren Gebeten nicht vergessen sollen. Das hat mich sehr bewegt, und wir beten für sie“.

Koch beschrieb die tägliche Arbeit von Caritas, insbesondere im Zusammenhang mit den vielen orientalischen Kirchen, die jetzt im Nahen Osten tätig sind.

„Im Nahen Osten arbeitet Caritas vor allem in den Bereichen Nothilfe, Bildung und Ausbildung, Entwicklung, Befähigung von Frauen, Begleitung der Jugend, Freiwilligenarbeit, Menschenhandel und Friedensstiftung. Aufgrund der zunehmenden Konflikte in der Region wurden die humanitären Hilfsprogramme ausgedehnt.

Verfolgte Christen liegen der katholischen Kirche sehr am Herzen. Beten wir füreinander, hören wir einander zu, lernen wir voneinander und finden wir miteinander ein gemeinsames Verständnis und eine angemessene Antwort auf die schwierige Herausforderung der gemeinsamen Nachfolge Christi in der heutigen Welt.“

Die Konsultation mit dem Titel „Diskriminierung, Verfolgung und Märtyrertum: Gemeinsam in der Nachfolge Christi“ wurde vom 2. bis 4. November in Tirana (Albanien) vom Global Christian Forum zusammen mit dem Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen (römisch-katholische Kirche), der Pentecostal World Fellowship, der Weltweiten Evangelischen Allianz und dem Ökumenischen Rat der Kirchen einberufen. Die Tagung wurde in enger Zusammenarbeit mit der Autokephalen Orthodoxen Kirche von Albanin, der Konferenz der römisch-katholischen Bischöfe und der Evangelischen Allianz in Albanien ausgerichtet.

*Marianne Ejdersten ist Direktorin für Kommunikation beim Ökumenischen Rat der Kirchen

Lesen Sie ebenfalls: Churches come together on theme of discrimination, persecution, martyrdom (ÖRK-Pressemitteilung vom 5. November 2015, in englischer Sprache)

ÖRK-Tätigkeiten: Begleitung von Kirchen in Konfliktsituationen

Gemeinsame Arbeitsgruppe mit der römisch-katholischen Kirche