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© Peter Williams/ÖRK

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Das Christentum verzeichnet in Afrika einen  schnelleren Zuwachs als in irgend einem anderen Teil der Welt, sagt  Pastor Dr. Lawrence Iwuamadi, Professor für ökumenische Bibelhermeneutik am Ökumenischen Institut in Bossey.

Iwuamadi hatte zu einer Diskussion über die Anthologie des afrikanischen Christentums geladen, die am 15. Februar vom Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) am Ökumenischen Zentrum in Genf mit einer Expertenrunde veranstaltet wurde.

„Es wird prognostiziert, dass in den nächsten vier Jahren ein Viertel aller christlichen Gläubigen weltweit in Afrika leben wird", sagte Iwuamadi. „Aus diesem Grund kommt diese Anthologie zum rechten Zeitpunkt, genauso wie das 1 400 Seiten umfassende Buch eine wertvolle historische und analytische Quelle ist."

Die 160 Essays dieses Buches mit 30 regionalen und konfessionellen sowie weiteren 50 nationalen Erhebungen befassen sich mit den heutigen sozialen und politischen Problemen der Christinnen und Christen auf diesem Kontinent.

„Bildung war der wichtigste Faktor bei der Verbreitung des Christentums in Afrika", fügte Iwuamadi hinzu.

Das Buch beschäftigt sich auch mit der Rolle der Frauen in der Kirche in Afrika, denn sie bilden dort eine Säule des Christentums.

Die Anthologie des afrikanischen Christentums wird von Isabel Apawo Phiri und Dietrich Werner sowie Chammah Kaunda und Kennedy Owino im Verlag Regnum Studies in Global Christianity, 2016 herausgegeben.

Frau Phiri ist die stellvertretende ÖRK-Generalsekretärin für öffentliches Zeugnis und Diakonie. Werner, früher Mitarbeiter beim ÖRK, ist heute Referent für theologische Grundsatzfragen bei der Organisation Brot für die Welt.

„Dies ist ein Werkzeug für die informierte Ökumene", sagte Werner.“ „Die Ökumene wird nur dann eine Zukunft haben, wenn sie als informierte Ökumene überzeugt. Wir haben so viele gemeinsame Erklärungen, aber kaum exaktes Wissen über das zeitgenössische Christentum."

Regionen zusammenbringen

„Wir wollten regionale Übersichtsartikel  über das moderne afrikanische Christentum des 21. Jahrhunderts und die Kirchen in Nordafrika, Westafrika, Ostafrika und im südlichen Afrika zusammenstellen", sagte Isabel Phiri.

In Beantwortung einer Frage sagte sie: „Die Theologie des afrikanischen Christentums wird durch seinen sozialen Kontext beeinflusst. Was sind die Zeichen unserer Zeit in Afrika, auf die wir reagieren sollten?"

Sie wies darauf hin, dass die menschliche Sexualität ein großes Thema sei, das „die Kirchen entlang konfessioneller Linien spalte, wobei diese Spaltung sich zwischen den Partnern aus dem globalen Süden und  dem globalen Norden und innerhalb von Familien fortsetze.

„Jetzt, da wir darüber reden müssen, wird das trennende Potenzial deutlich. Die Zeichen unserer Zeit beeinflussen in entscheidender Weise den Inhalt unserer Religion", sagte Frau Phiri.

Weiter erklärte sie: „Das Ziel des Buches besteht darin festzustellen, wie die Menschen in Afrika ihren eigenen Glauben sehen. Dieser Glaube ist tief verwurzelt ... Es ist kein künstliches Christentum... Es ist ein Christentum, das mich in jedem Aspekt meines Lebens zu der Person macht, die ich bin. Das Christentum ist eine afrikanische Religion. Für die Menschen definiert das Christentum, wer sie sind", sagte Frau Phiri, die aus Malawi stammt und in Südafrika als Universitätsprofessorin gearbeitet hat.

Werner erklärte; „Es gibt jetzt nach der Produktion dieses Buches mehrere Aufgaben. Wir müssen ein Netzwerk aus Forschungseinrichtungen aufbauen, ebenfalls  Netzwerke, die sich mit Unternehmensethik befassen ... Wir müssen ebenfalls eine afrikanische Studienstiftung einrichten."

Wichtig für Regierungen und die Vereinten Nationen

Das Wissen über das Christentum ist wichtig für Regierungen, und die Vereinten Nationen sind „dringend daran interessiert", mit glaubensgestützten Organisationen zusammenzuarbeiten, so Werner.

„Wir brauchen ein profundes Wissen“, um möglichst viele Vorhaben zu unterstützen, darunter auch den Dialog zwischen den Kontinenten.

Auf eine Frage antwortete er: „So weit ich weiß, gibt es kein Netzwerk afrikanischer christlicher Unternehmer, und bisher haben wir auch noch keine entwickelte afrikanische christliche Unternehmensethik gesehen, obwohl es in Nigeria und Ghana erste Verbände christlicher Unternehmen gibt."

Pastor Dr. Benjamin Simon, Professor für ökumenische Missiologie am Ökumenischen Institut in Bossey, beschrieb die Anthologie als einen „wundervollen Blumenstrauß."

Er ging auf das Kapitel über afrikanisches Christentum und Ökumene ein.

„Mit seinen 20 Artikeln von Theologinnen und Theologen mit afrikanischem Hintergrund hätte man aus diesem Kapitel ein eigenes Buch machen können - das wäre dann immer noch ein Blumenstrauß geworden mit seinen zahjlreichen Standpunkten und Meinungen, Perspektiven und Sichtweisen", sagte Simon.

Zu Anfang handelten die christlichen Konfessionen sehr ökumenisch, postulierte er.

„Leider wurde aus dieser Zusammenarbeit im Laufe der Zeit ein Konflikt, da die Abhängigkeit der Missionare von ihrem Herkunftsland zunahm sie deshalb zu Konkurrenten wurden, wenn es um Konvertiten ging."

Trotzdem, so Werner, hebe James Amaze die Tatsache hervor, dass es zu Beginn des 20. Jahrhunderts zahlreiche Versuche gab, die Einheit der Kirchen herzustellen. Nach Aussage von Simon wurden Mitte des 20. Jahrhunderts und sogar noch früher einige nationale Kirchenräte gegründet.

Die Rolle christlicher Räte

Agnes Abuom, die Vorsitzende des Zentralausschusses des ÖRK, kommt in ihrem außerordentlichen Beitrag zu dem Schluss, „dass 'christliche Räte ihren Platz und ihre Rolle im afrikanischen Christentum haben .. sie haben dazu beigetragen, dass das Christentum ein fester Bestandteil des afrikanischen Glaubens geworden ist."

„Wir haben viele Kirchen der afrikanischen Diaspora überall in der Welt", sagte Simon und nannte Amerika und Europa als Beispiel. Viele ihrer Mitglieder wurden in einem fremden Land geboren und veränderten sich dann über Generationen; dieser Bereich bedarf der weiteren Forschung.

André Karamaga schreibt in einem Kapitel über zwei widersprüchliche Gesichter des afrikanischen Christentums - dem zahlenmäßigen Zuwachs und der lebendigen Spiritualität und der Konfusion zwischen ethnischen Gruppen und christlichen Konfessionen.

Pastor Henry Mbaya, Dozent für Missiologie an der südafrikanischen Universität Stellenbosch, wies auf der ÖRK-Veranstaltung darauf hin, wie Konfessionalismus und Ökumene das afrikanische Christentum in der Moderne geprägt haben.

„Der Kolonialismus ist ein kritischer Faktor bei dem Versuch, Konfessionalismus und Ökumene auf dem afrikanischen Kontinent zu verstehen. Wir wir alle wissen, war die Reformation in Europa vor jetzt mittlerweile 500 Jahren in gleicher Weise ein politischer wie auch ein religiöser Faktor", sagte Mbaya.

Er merkte an, dass Politik und Christentum gemeinsam die Landkarten Europas im 16. Jahrhundert bestimmt hätten und dass Afrika im 19. Jahrhundert unter den Einfluss des westlichen Konfessionalismus geraten sei.

„Das westliche missionarische Christentum hat jede Mischung und Ausprägung des Christentums nach Afrika importiert. Bald nach Ankunft der Missionare war Afrika wie ein Supermarkt, in dem alle Afrikaner aus dem großen Korb das aussuchen konnten, was ihnen passte: römisches Christentum, Canterbury, Genf und Berlin."

Er beschrieb, dass das überaus unglückliche Vermächtnis der aktiven Zusammenarbeit zwischen kolonialer Ordnung und Missionaren der Völkermord in Ruanda war.

„Dort haben religiöse und politische Ideologien die Hutus und Tutsis einander entfremdet und letzutlich den Genozid verursacht. Aus dieser Sicht kann man sagen, dass die Mission als Stellvertreter für diese Bereiche der Verantwortung kolonialer Regierungen angesehen wurden."

Video: Buchbesprechung des Ökumenischen Rates der Kirchen Anthology of African Christianity