Mit einem Festakt und einem ökumenischen Gottesdienst hat der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) am Sonntag, 25. August, in Lausanne an die erste Weltkonferenz für Glauben und Kirchenverfassung vor 75 Jahren erinnert. Die Bewegung für Glauben und Kirchenverfassung lieferte wesentliche Impulse für die Gründung des ÖRKs 1948 in Amsterdam und zur Einrichtung einer Kommission unter dieser Bezeichnung.

Die Kommission für Glauben und Kirchenverfassung leistet theologische Grundlagenarbeit. Sie beschäftigt sich mit den Ursachen der Trennung christlicher Kirchen und sucht nach Möglichkeiten ihrer Überwindung. Das Gremium, das sich als "umfassendstes theolgisches Forum der christlichen Welt" versteht, hat 120 Mitglieder. Die römisch-katholische Kirche, die dem ÖRK nicht angehört, ist seit 1968 Mitglied der Kommission.

Kardinal Walter Kasper, Leiter des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen und früheres Mitglied der Kommission, würdigte in einer von Monsignore John A. Radano verlesenen Grussbotschaft die Arbeit der Kommission. "Absolutes Kriterium und Motiviation" für die Arbeit dort müsse das Evangelium sein, so Kasper. Das von der Kommission 1982 veröffentlichte Dokument über Taufe, Eucharistie und Amt sei für die gesamte Ökumene von Bedeutung. Papst Johannes Paul II. habe sich wiederholt darauf bezogen.

Präses Manfred Kock, Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, würdigte ebenfalls das nach seinem Entstehungsort benannte "Lima-Dokument". Die Arbeit der Kommission sei für die Bemühungen um kirchliche Einheit nötiger denn je, meinte Kock. Dabei sollte nach "neuen Wegen und Methoden" gesucht werden.

Der Vorsitzende des ÖRK-Zentralausschusses, Seine Heiligkeit, Aram I., Katholikos von Kilikien, berichtete, die Kommission habe ihm "den Dialog mit

Menschen und nicht nur mit Ideen" ermöglicht. Während seiner Mitarbeit seien ihm Visionen vermittelt worden, die weit über die Grenzen seiner eigenen Kirche hinausreichten.

Der protestantische Schweizer Ökumene-Experte Lukas Vischer, langjähriger Direktor der Kommission, sieht das 1927 in Lausanne angepeilte Ziel der Einheit trotz aller Fortschritte nicht erreicht. Die Kirchen würden ihre ökumenischen Initiativen nur ungenügend aufeinander abstimmen, sagte er. Sie seien zwar für Dialog und Austausch, könnten sich aber nicht dazu entschliessen, "sich in einen Bau einzufügen, der über sie hinausgeht". Für diesen Bau sei dringend ein gemeinsam anerkannter Plan nötig.

Vischer betonte, dass die von Jesus Christus ausgehende Glaubensbewegung von Anfang an vielfältige Gesichter gehabt habe. Die Gemeinschaft unter den Kirchen sei im Lauf der Geschichte oft nur deshalb in die Brüche gegangen, weil man "die Andersartigkeit des Anderen nicht auszuhalten vermochte".

Die anglikanische Theologin Mary Tanner, eine frühere Kommissions-Vorsitzende, beschrieb die dort verfassten Dokumente als Werkzeuge einer engeren Zusammenarbeit. Mit ihrer Hilfe seien Reformierte und Lutheraner in der Leuenberger Konkordie zusammengekommen. Der EKD und der Kirche von England habe sie Grundlagen für die so genannte Meissner Erklärung geliefert. Ähnliche Vereinbarungen hätten die reformierten und die lutherische Kirchen in Frankreich mit den anglikanischen Kirchen in Grossbritannien und Irland in Reuilly getroffen. Porvoo wiederum stehe für die engere Zusammenarbeit ihrer anglikanischen Heimatkirche mit nordischen und baltischen lutherischen Kirchen.

Erwartungen junger Menschen formulierte die griechisch-orthodoxe Theologin Anastasia Vassiliadou. Die Kommission habe das religiöse Spektrum verändert, meinte sie, dem eucharistischen Mahl sei man aber nicht näher gekommen. Glauben und Kirchenverfassung sollte seine Perspektive erweitern und eine Theologie vertreten, "die für Mission, Kultur, die sakramentale Dimension des menschlichen Lebens, der Schöpfung und der Kirche mehr Bedeutung hat". Es sei zutiefst bedauerlich, dass es unter den Kirchen bislang praktisch keinerlei Rechenschaftspflicht gebe. Weitere Grussaddressen zum Jubiläum von Glauben und Kirchenverfassung übermittelten Vertreter des Ökumenischen Patriarchats in Konstantinopel, des Erzbischofs von Canterbury, der Christlichen Kirche (Jünger Christi), des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes, des Lutherischen Weltbundes und des Reformierten Weltbundes.

Dem Festakt in der Aula der Universität von Lausanne folgte ein ökumenischer Gottesdienst in der Kathedrale von Lausanne, in der vor 75 Jahren die erste Weltversammlung eröffnet worden war. Etwa 3.000 Besucher nahmen daran teil. Die Predigt hielt der albanische Erzbischof Anastasios von Tirana, Durrës und ganz Albanien.

Im Mittelpunkt der vom ÖRK und den Ortskirchen reich gestalteten Feier stand das Versprechen Jesu Christi: "Ich werde bei Euch sein, bis an der Welt Ende".